John Lee Hooker – Mr. Lucky


Eine Armada von hochkarätigen Gästen griff dem 71jährigen Blues-Champion unter die Arme. Das Resultat: zeitgemäßer Blues zwischen Tradition und Gegenwart.

Ein heller Kopf brachte es‘ auf den Punkt: r Blues ain’t nothing but a good man feeling bad.“ Nach dieser Definition muß John Lee Hooker ein selbstmordgefährdeter Heiliger sein. Denn dem 71jährigen gelingt mit MR. LUCKY eine erneute Steigerung zum Grammy-gekrönten Vorgänger THE HEALER.

Das neue Album ist mehr als eine orthodoxe Blues-Platte — es ist die erschöpfende Bestandsaufnahme aller nur denkbaren Winkel, Abwandlungen und Adaptionen des Zwölf-Takt-Schemas. Für das ambitionierte Unterfangen lud sich Hooker das ,Who is Who des modernen Blues‘ ins Sfudio. Wie ein Lehrer, der sich über die Leistungen seiner Musterschüler freut, stellt er stolz jeden von ihnen vor: Albert Collins verteidigt beim Slow-Blues „Backbiters And Syndicators“ einmal mehr seinen Titel als ,master ofthe telecaster“, Johnny Winter läßt bei »Susie“ seinen flinken Fingern freien Lauf, mit Robert Cray steuert Hooker in soulige Memphis-Gewässer, mit Balladen-Meister Van Morrison in etwas tränenreichere Gefilde — und Ry Cooder schließlich ist der ideale Partner für einen quicklebendigen Trip ins Rockabilly-Revier.

Wie weitläufig die Konturen des Blues eigentlich gesteckt sind, macht spätestens »Stripped Me Naked“, ein energetischer Shuffle im Fusion-Groove, deutlich. Selbst hier gelingt dem alten Fuchs der Brückenschlag: Während Santana und Band die Grenzen des Genres ausloten, besingt Hooker das klassische Blues-Thema: ,She took my money, she took my Cadillac …“ auf derart beschwörende Weise, daß man ihm sogar diese Standard-Phrase locker abnimmt.

Hookers letzte Platte läutete vor zwei Jahren ein Blues-Revival ein, dem sich auch Hardrock-Gitarristen wie Gary Moore anschlössen. Wer weiß, vielleicht bekommen nach MR. LUCKY jetzt auch noch Metallica Appetit auf Blues.

DIE FAMILIE

.Ich bin kein Gott auf der Gitarre, der in einer Sekunde gleich unzählige, atemberaubende Riffs aus seinem Instrument schüttelt. Ich bin vielmehr ein Gitarrist, der allein mit Feeling die Welt des Blues auslotet.‘ So John Lee Hookers Selbsteinschätzung. Das Feeling und die originäre Kraft des Authentischen sind es denn auch, die inzwischen ganze Heerscharen prominenter Halb-Görter auf der Gitarre anlocken. Von .meiner Familie“ spricht er in dem Zusammenhang gern und meint damit Bewunderer seines Blues-Stils vom Range eines Johnny Winter, Van Morrison, Albert Collins, Booker T. Jones, Keith Richards, Ry Cooder oder, wie schon auf dem vorigen THE HEALER, Carlos Santana und Robert Cray, die für .The Hook* auf MR. LUCKY in die Saiten griffen, ,0b nun ein Freund wie Carlos Santana eigentlich aus der latino-Rock-tcke oder ein Keith Richards vom Rock V Roll kommt, ist mir egal; ich glaube vielmehr, daß mir meine Gäste mit ihrem Beitrag Dank sagen wollen für meinen doch relativ großen Einfluß auf ihre Musik und ihren persönlichen Stil. Schließlich ist der Blues der Ursprung jeglicher Popmusik.‘ Wie wohl sich der hochdekorierte Veteran im Kreis seiner .Jünger“ fühlte, geht aus seiner Reaktion hervor, wenn er betont, daß das aktuelle Album deshalb so stark sei, weil so viele verschiedene Charaktere daran beteiligt waren und miteinander eine .phantastische Zeit* verbracht haben. Trotzdem will er, so zumindest sein ausdrücklicher Wunsch, entgegen bisheriger Gepflogenheiten .die nächste Produktion mit seiner etatmäßigen Haus-Band bestreiten“, um den Blues noch einmal kräftig ,an den Wurzeln tu packen‘.

DIE LEGENDE

.Wenn du dich einmal dem Blues verschreibst, spielst du gleichsam um dein leben.“ Als John Lee Hooker anno 1970 den Kollegen von Canned Heat, während gemeinsamer Aufnahmen, diese persönliche Erkenntnis mit auf den Weg gab, wußte er längst aus eigenen Erfahrungen, wovon er sprach, ,0er Blues ist mein leben“, lautete sein Credo, das sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Schaffen zieht. Geboren am 22. August 1920 auf einer Farm nahe Clarksdale im Bundesstaat Mississippi, kam er unter Anleitung seines Stiefvaters schon früh mit den damaligen Größen des Delta-Blues wie Robert Johnson in Berührung und verließ alsbald das Elternhaus. .Ich verspürte damals einen inneren Drang, mich von zuhause abnabeln zu müssen, um den Blues auf der Straße, direkt vor Ort, kennenzulernen.“ Geradezu beseelt von der Vision, daB .der Blues die Urform aller Musik ist, daß – als die Welt erschaffen wurde — zugleich auch der Blues geboren wurde‘, avancierte John Lee Hooker 1943 zum Star der Detroiter Blues-Szene, der fünf Jahre später mit der ersten LP belohnt wurde. BOOGIE CHIL-LEN war der erfolgreiche Auftakt zu einer bis heute beispiellosen Karriere. Getreu dem Motto seiner zweiten LP I’M IN THE MOOD (1951) machte er von nun an, was er wollte, pfiff auf alle Verträge und nahm unter ständig wechselnden Pseudonymen LPs für diverse Firmen auf. »The Hook*, so sein Spitzname, verkörperte spätestens ab Mitte der 60er Jahre das Blues-Idol der damaligen Musiker-und Band-Generation, allen voran die Rolling Stones. Noble Referenzen auf der einen, vor allem aber seine beständige Liebe zum Blues auf der anderen Seite trugen ihm zuletzt einen längst verdienten Platz in der amerikanischen ,National Blues Hall Of Farne* ein.