Kevin Ayers


Nick Drake, Syd Barrett, Kevin Ayers – Namen, die in jüngster Zeit immer wieder auftauchen, werden neuere Bands nach ihren Vorbildern befragt. The Church als auch die Violent Femmes drückten kürzlich ihre Wertschätzung gleich für das ganze Dreigespann aus, seinerzeit die Creme der exzentrischen Songschreiber aus England.

Doch Drake ist tot, Barretts Genie durch Drogen zerstört. Und Ayers? Er entschwand einfach. Robert Wyatt, Ayers‘ Mitstreiter in Bands wie Wilde Flowers und Soft Machine, bezeugt, daß so etwas von vornherein beabsichtigt gewesen sei: „Kevin träumte davon, nur von Zeit zu Zeit nach England zurückzukehren, ein paar Konzerte zu spielen, um dann wieder auf schnellstem Wege zu verschwinden.“

Der in Malaysia geborene Engländer mit dem Temperament eines mediterranen Playboys verbrachte bald die meiste Zeit in seinem Haus in Deya/Mallorca – als Teil einer internationalen Künstlerkolonie, der beispielsweise auch Schriftsteller Robert Graves angehört, den es bereits in den 20er Jahren in das idyllisch gelegene Bergdorf im Nordwesten der Touristen-Insel verschlagen hatte.

Hier verbringt Ayers auch heute noch seine Tage im Müßiggang: Er schwimmt und segelt, geht fischen, liebt gutes Essen und wird oft in Gesellschaft eleganter Frauen gesichtet. Dabei vergeht jedoch kaum ein Tag, ohne daß er – in der ihm eigenen unwiderstehlichen, sonoren BBC-Stimme- über Langeweile klagt.

Trotz ständiger Beteuerungen, dem Musikbusiness auf Dauer entsagt zu haben, schreibt Ayers neue Songs und spielt gelegentlich in den Bars der Insel. So gab und gibt es immer wieder Jam-Sessions mit früheren Mitstreitern wie Mike Oldfield (der mit 16 Jahren in Ayers‘ Band The Whole World eintrat und in diesem Frühjahr einige Tage in Deyas komfortablem Künstlerhotel La Residencia verbrachte), John Cale, Caravans David Sinclair oder befreundeten spanischen Musikern.

Daß solche Auftritte manchmal ein unvorhergesehenes Ende nehmen können, wissen spanische Fans mittlerweile – spätestens, seit Cale und Ayers vor ein paar Jahren im Vollrausch zusammen von der Bühne stürzten, noch bevor ihr Konzert überhaupt angefangen hatte. Inzwischen sind Exzesse dieser Art seltener geworden. Und heutzutage sieht man den Autor zahlreicher Songs über Wein und Dolce Vita gar schon mal mit einem Glas Saft oder Milch.

Seine musikalische Karriere bleibt unterdessen auch weiterhin dem Zufall überlassen. Teile aus seinem letzten Studio-Album DIAMOND JACK AND THE QUEEN OF PAIN erschienen wenig später als Soundtrack-LP zum Spielfilm „Percussion“, in dem er auch die Hauptrolle spielte. Der Film, 1982 Spaniens Beitrag zum Festival von Cannes, erwies sich als Total-Flop. Demobänder zu diesen Produktionen wurden vor einigen Monaten in Spanien als DEJA VU betiteltes Album veröffentlicht.

In letzter Zeit klingen die Nachrichten über Ayers wieder etwas positiver. So hat sich der gelangweilte Hedonist entschlossen, in Deya einen Live-Club zu eröffnen. Und sollte er den Plan verwirklichen (wofür vieles spricht – eine Mike Oldfield im Frühjahr abgekaufte Verstärker-Anlage ist mittlerweile eingetroffen), dann würde dieser Schritt ihn unweigerlich in Verbindung bringen mit einer neuen Generation von Musikern (Ayers‘ Wunsch, mit dem von ihm bewunderten Peter Blegvad zusammenzuarbeiten, könnte sich hier etwa realisieren lassen). Das Ayersche Barometer zeigt derzeit ein Hoch an – hoffen wir, daß es von Dauer ist.