Klaus Lage


Die obligatorische Brille auf der Nase, den vollschlanken Rock'n' Roll-Körper in die standesgemäß abgewetzte Lederlacke gezwängt, lümmelte sich Deutschlands singender Sozialarbeiter genüßlich in seinem Sessel und verfolgte die Kür der Kandidaten mit Wohlwollen, ohne sich allerdings einige sarkastische Spitzen verkneifen zu können...

Patrick Heischreck: „Du weint nicht, was du hast“

„Kenn ich nicht. Kommt der vielleicht aus Frankfurt? Was soll ich sagen? Man erkennt die Absicht und ist verstört. Plätschert so dahin, ohne daß wirklich was passiert.“

Neneh Cherry: „Manchild“

(Nach einer Minute) „Ist das etwa schon der Refrain? Wenn bis dahin keine Gitarren zu hören sind, kann man für meinen Geschmack gleich ein Ei drauf schlagen. Nicht gerade berauschend. ;Buffalo Stance‘ hat mir weitaus besser gefallen, da war einfach mehr Mumm drin. Diese Nummer wird auch in den Charts bestimmt nicht so reinknallen.“

John Cougar Meilencamp: „Pop Singer“

„Er kommt gleich zur Sache: Endlich mal eine knackige Gitarre gleich zu Beginn des Songs. Ich steh einfach auf Gitarren, die müssen unbedingt sein. Als Instrument sicher nicht gerade revolutionär, doch ich möchte nicht darauf verzichten. Deshalb gefällt mir die Nummer bisher auch am besten. Frag mich allerdings nicht, wer das ist. Ich verfolge das Pop-Geschehen eigentlich nur aus der Ferne und bin kaum auf dem Laufen

Youssou N‘ Dour & Peter Gabriel: „Shakin‘ The Tree

„Wirkt irgendwie angenehm beruhigend auf mich. Verstanden hab ich natürlich kein Wort. Klang so, als ob sich jemand an einem afrikanischen Kauderwelsch versucht. Sicher was aus der Ethno- oder Weltmusik-Ecke.“

Jocco Abendroth: „Rauschen“

„Ich steh ja auf Musik mit deutschen Texten, auch wenn viele Kollegen nicht unbedingt mein Fall sind. Dieser hier allerdings kann sich allemal hören lassen. Wie sie den Song anpacken – gefällt mir! Gehört in die Sparte ,Deutsche Rockmusik der lockeren Art‘. Mein Tip: So „Wenn da keine Gitarren mehr kommen, kannste gleich ein Ei drauf schlagen.“ Auch was die Beurteilung der Kollegen anging, demonstrierte Kumpel Lage bodenständigen Geschmack.

weitermachen. Auch der Text strotzt zum Glück nicht vor ansonsten weitverbreiteten Plattheiten. Würd ich gern mehr von hören.“

Kristiana Levy: „Influenced“

„Klingt zu Beginn verdammt nach den Rainbirds. Ist mir zu schwülstig, das Keyboard im Hintergrund viel zu laut und dominant, der computergesteuerte Groove geht mir total auf den Geist. Wer ist das? Kristiana Levy? Oh Gott, da hab ich mich wohl voll in die Nesseln gesetzt. Egal, auch wenn sie bei der gleichen Plattenfirma ist, bleib ich bei meiner Meinung: zu schwülstig!“

The Rattles: „Little Miss Wunderbar“

„Was singen die da: ;Little Miss Wunderbar‘? Wer ist denn auf diese Schnapsidee gekommen? Das Einzige, was mir an dieser Nummer gefällt, ist der Hall auf dem Gesang. Ansonsten plätschert es mir zuviel.“

Hannes Kroger: „Es wird Nacht auf St. Pauli“

„Endlich mal ein gesampeltes Stück, das nicht völlig technisch verquast wurde, sondern über weite Strecken auf einen eher rockigen Groove baut. Im Prinzip lassen mich diese ganzen sterilen ,Hans Albers‘- und ,Rock Me Amadeus‘-Kisten total kalt, aber hier hört man wenigstens mal ein Rock-Riff dazwischen. Da ist Leben in der Sample-Bude. Gefällt mir sogar besser als der ,Blonde Hans‘.“

Anderson, Bruford, Howe & Wakeman: „Brother Of Mine“

„Klaro, kann nur Jon Anderson sein, der da singt. Laß mal weiterhören, bin wirklich gespannt, was die noch bringen. Steve Howes Gitarre ist ebenfalls auf Anhieb zu erkennen. Yes haben mich von jeher interessiert, wobei man feststellen muß, daß sie die musikalische Meßlatte selbst sehr hoch gehängt haben und sich jetzt daran messen lassen müssen. ,Owner Of The Lonely Heart‘ war auch produktionstechnisch auf einem außergewöhnlichen, innovativen Niveau. Dagegen fällt dieser Song doch deutlich ab.“

Texas: „Thrill Has Gone“

„Auffällige Parallelen zu Chrissie Hynde und den Pretenders. Nicht gerade überragend, aber durchaus hörenswert.“

Diverse: „Ferry Cross The Mersey“

„Das Original von Gerry & The Pacemakers gefällt mir nach wie vor besser. Selbst wenn ich den Benefiz-Charakter dieser Nummer durchaus zu schätzen weiß, kann ich nur sagen: Die beteiligten Musiker, wie ja unter anderem Paul McCartney, hätten auf diese Version besser verzichten und stattdessen ein paar Mark aus ihrer eigenen Tasche spenden sollen. Sie hätten sich die Arbeit sparen können und lieber das Original Original sein lassen.“