Klingt pink: Eine neue Musikergeneration auf der dunklen Seite des Mondes


Pink Floyd sind eine so heilige Band, dass ich niemals ihre Songs covern würde, und ich finde auch, dass niemand anders das tun sollte. Sie sind eine der Bands, die ich am meisten höre, schon seit meiner Kindheit,“ Dies eröffnete Ende letzten Jahres kein anderer als Marilyn Manson dem englischen Magazin Mojo. Es bedarf wohl eines Schockrockers, um ein derart deutliches pro-Floyd-Bekenntnis zu bekommen. Sich auf Pink Floyd als Einfluss zu berufen, war lange so ziemlich das Uncoolste, was man als Musiker machen . konnte. Einzig die frühe Barrett-Phase ging als akzeppabel durch, die Floyd der 70er wurden pauschal als Symbol für verblasenen, seelenlosen Mega-Rock gehandelt, gegen den jeder, dereinen Funken Punk im Leib hat, anjurennen hatte. Soweit, so dogmatisch. Alles, was bei Floyd nach Barrett kam, sei „Murks“, zelebrierte jüngst wieder das gar so flotte „jetzt“-Magazin den alten Beißreflex. Ein ebenso fauler wie mittlerweile gähnenswerter Allgemeinplatz. Der vor ihre Tür getragene Floyd-Verglelch widerstrebte zunächst auch Radiohead, die seit ihrem komplex strukturierten und lyrisch tiefschürfenden Album „OK Computer“ als führende Apologeten eines floyd’schen Progrock-Ansatzes gehandelt (oder wahlweise verspottet) werden. Interessanterweise entspannt sich die Floyd Diskussion, je länger David Gilmour davon absieht, die Welt mit seinem NeoFloyd-Pomp zu behelligen und den Blick auf den alten Glanz seiner Band freigibt. Die Berührungsängste schwinden. Vieles an der magisch-flirrenden Retro-Atmosphäre der Musik von Air gemahnt direkt an Früh-7oer-Floyd (man höre nur den Soundtrack zu „The Virgin Suicides“). Die Franzosen stehen in einer Tradition von Elektronikern wie The Orb.die schon Anfang der 90er aus ihrer Floyd-Verbundenheit keinen Hehl machten. Neben Generationen urbritischer Bands und Künstlern von Bowie über XTC bis Blur, die sich auf Barretts Früh-Floyd beriefen (die versponneneren Momente der Soloplatten von Blur-Gitarrist Graham Coxon, vor allem der ersten, klingen wie Outtakes aus Barretts Solo-Sessions) hat die britische Szene heute Bands wie Spiritualized oder die Super Furry Animals, die – letztere freilich mit einem entschieden unbekümmerteren Ansatz – mit ihrer ausgeklügelten Prog-Pop-Sound-and-Vision-Liveshow in den Fußstapfen der auf Sinnesflutung abzielenden 7oer-Jahre-Floyd wandeln.

Der federnd groovende, entrückt-verschwurbelte oder schlicht harmonietrunkene Psychedelik-Folk vieler Floyd-Sones der ersten Hälfte der 70er war in den letzen Jahren den Alben von Bands wie den Radar Bros, (ihr Debüt von 1995 ist „Meddle“, erste Seite, in Reinkultur), der Beta Band, Grandaddy, Kingsbury Manx oder zuletzt den Turin Brakes anzuhören, deren Sänger Olli Knights Pink Floyd und ihre mantra-artigen Gesangslinien als „einen unserer wichtigsten Einflüsse, was Strukturen und Sound angeht“ nennt.

Da ist Nine Inch Nail Trent Reznor, eingefleischter Fan, der „The Wall“ als den „Wendepunkt“ in seinem Leben preist („Ich hatte noch nie Musik von solcher nackter, ehrlicher Emotionalität gehört“), und mit seinem sperrigen, in psychische Abgründe tauchenden 2CD-Prog-Monster „The Fragile“ 1999 auf den Spuren seines Jugendhelden Roger Waters wandelte. Auch die Bombast-Metaller Tool können ihren Floyd-Einfluss schwerlich ableugnen, während der exzentrische Les Claypool mit seinen virtiosen Funkmetal-Fiedlern Primus auf Konzerten regelmäßig das gesamte „Animals“-Album in voller Länge und originalgetreu runterreißt. Von den Myriaden von wild floydierenden Prog-Metallern à la Anathema, The Warlocks oder Porcupine Tree ganz zu schweigen. Jim O’Rourke, gern mit Pop-Referenzen jonglierende Lichtgestalt der Chicago-Postrock-Szene, erwies auf seinem Album „Eureka“ 1999 nicht nur der Ikone Burt Bacharach, sondern mit „Through The Night Softly“, einem augenzwinkernden Beinahe-Cover von „The Creat Gig In The Sky“ (incl. schwülstigem Saxophon-Solo) auch Floyds „Dark Side Of The Moon“ die Ehre (wenn man weit gehen wollte, könnte man auch die auf akustisch-folkigern Fundament geerdeten Avantgarde-Exkursionen von O’Rourkes Band Castr Del Sol in Hoyd-Tradition stellen). Und jetzt hat sich der lange Arm von Pink Floyd mit Wyclef Jeans „Wish You Were Here“-Coverversion auch in den HipHop ausgestreckt. Er sei mit den Floyd-Platten seines Bruders aufgewachsen, erzählt der notorisch eklek- tische Rapper. „Außerdem: Wenn Du wie ich Gitarrist bist, musst Du einfach auf Pink Floyd stehen.“ Das wird David Gilmour freuen. Nur bei Marilyn Manson braucht sich ‚Clef wohl nicht mehr blicken zu lassen.