Kula Shaker im Atomic Café


Indisch besetzte Briten - musikexpress.de-User Nicolai Herrmann über Kula Shaker im Atomic Café in München.

Manch ein Indienreisender mag sich an diesem Abend in die Schattenecken dieses Wunderlandes versetzt fühlen – Schweiß, Dreck, und unglaublich viele Menschen, im deutlich zu kleinen Club zusammengepfercht wie recht heillose Kühe. Nach musikalisch belangloser Vorgruppe mit talentiertem Sänger steht man sich und anderen die Beine in den Bauch, und inhaliert die Räucherstäbchen des Westens mit in den Nacken geworfenem Kopf.Sie alle sind da: die grimmigen zotteligen weltschmerzigen Exhippies, die brokat-spiegel-betopten Kreischeteens, die intellektuell angehauchten Kosmopoliten mit schwarzer Hornbrille – und spitzen da aus der Menge nicht tatsächlich ein, zwei indische Gesichter hervor? Hmm – für die ist das Ganze Kula Shaker-Ding wohl noch ein bisschen exotischer – so ein bisschen wie Japaner in Lederhosen, kann man sich vorstellen.Und tatsächlich, als die vier weißen Jungs schließlich die Bühne stürmen, tun sie das einzig Richtige: Sie beginnen mit dem Seventies-Rock-Kracher „Hey, Dude!“ vom K-Album, und überwalzen das Publikum mit Wellen gepflegt wabernder Distortion, und nicht mit weihrauchschwangerem Disneyindien. Sänger Crispian Mills, den eine eigenartig jungenhaft-grenznaive Aura umgibt, demonstriert im Lauf des Abends den Regenbogen seiner Stimmklangfarben auf eindrucksvolle Weise – die wimmernde Hypnotik von „Jerry Was There“, sein fast akzentfreies Hindi bei „Govinda“ und die Rockröhre, mit der er die meisten der Songs versieht. Hier ist ein Profi, ein unwahrscheinlich talentierter Sänger am Werk, seine Stimme zieht, unterstützt von der rhythmisch klugen und authentisch wirkenden Instrumentation, jeden im Raum in ihren Bann.Doch führt dieser Bann zur Erleuchtung? Ist hier Weisheit und innere Einsicht zu holen? Hier liegt genau das Problem. Es ist so gut, so fett, wirkt so lecker, dass man jeden Ton, jeden Break verschlingen möchte. Aber eines lässt sich nicht vergessen. Es ist nicht echt. These are not the seventies. Die Sitar kommt vom Band. Der Sänger ist blond. Der Drummer sieht eher aus, als wäre er HipHoper. Kratze an der Oberfläche, geh einen Schritt zurück – und du durchschaust den Budenzauber. Um so höher muss man den vier Jungs von Kula Shaker vielleicht anrechnen, dass man diesen Schritt nicht gehen will. Man möchte sich so gerne suhlen im Versprechen einer neuen Hippie-Ära, wie man es ja auch bei Devendra oder Joanna tut. Aber was sie alle von den Ikonen dieser Zeit unterscheidet, ist die mangelnde politische Einsicht. Entschuldigend kündigt Crispian den recht naiven, einzigen „politischen“ Song „Dictator“ an: „It´s a very silly song. For five year olds to sing in the playground.“ Yeah. Na dann mal power to the people! Was bleibt ist die Musik. Und die rockt und wabert und hypnotisiert, dass es eine Freude ist. Und jaaaaa, bisweilen hört man auch ein wenig indische Einkehr heraus.Und so wirken Kula Shaker indisch besetzt – dieser Kulturkreis lässt sie nicht los, er hat sie gefangen genommen, gibt sie nicht wieder frei. Die Faszination schlägt erfolgreich durch – doch zum durchschlagenden Erfolg fehlt der Besetzung ganz klar eines: Inder.