Kritik und Vergleich

Kumpels statt Bande: Darum sind die „Good Boys“ die bösen „Vorstadtkrokodile“


Am Donnerstag, den 22. August 2019, startete der US-Teeniefilm „Good Boys“ (FSK 16) in den deutschen Kinos. Ein Vergleich zur deutschen Kinderkomödie „Vorstadtkrokodile“ zwingt sich auf. Es gibt aber auch Unterschiede.

„Du darfst niemanden küssen ohne sein Einverständnis“, klärt der Sechstklässler Lucas (Keith L. Williams) seinen Kumpel Max (Jacob Tremblay) auf. Sie wollen das Knutschen mit einer Sexpuppe üben, die sie für eine Wiederbelebungspuppe halten. Diese Szene aus der neuen Teen-Klamotte „Good Boys“ wäre im Kinderfilm „Vorstadtkrokodile 2“, der vor neun Jahren in die deutschen Kinos kam, freilich nicht möglich gewesen. Dennoch könnte sie an der fragilen Lebenswirklichkeit heutiger 12-Jähriger näher dran sein, als Kriminellen das Handwerk zu legen. Kids, die verbotenerweise den neuen Ab-16-Film gucken – und sie werden ihn gucken – dürften in „Good Boys“ trotzdem einiges wiederentdecken. Niedlicher Coming-of-Age zieht schließlich immer.

Die gleichen Klischeekinder

Der übliche Vorwurf, das deutsche Kino sei dem amerikanischen unterlegen, zieht hier nicht. „Good Boys“ wurde vom Erfolgsgespann Gene Stupnitsky und Lee Eisenberg („The Office“) gedreht und soll derben Spaß machen, nicht bilden. Allerdings gilt unter Filmemachern seit „Das Fliegende Klassenzimmer“: Je klarer Kinderfiguren bestimmte Eigenschaften verkörpern, desto besser bleiben sie im Gedächtnis. Das war bei den Krokodilern so und ist bei den Bean Bag Boys aus „Good Boys“ nicht anders: Hannes und Max sind die süßen Helden der jeweiligen Filme. Hannes stand auf Maria, Max steht auf Brinklee. Der Grieche Jorgo von den Krokodilern und der schwarze Lucas aus „Good Boys“ sind die witzigen, integrierten Sidekicks. Elvis und Thor (Brady Noon) schließlich sind die Pseudo-Coolen der Minigangs.

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Leider authentischer: Pornos statt Knutschen

Postmodern-tolerante Kinder sind der Traum heutiger Eltern – könnte man bei diesen Filmen zumindest denken. Respekt vor anderen Ethnien und Geschlechtern wird großgeschrieben, obwohl Kinder in der Vorpubertät ja geradezu fasziniert sind von körperlichen Unterschieden. Dass sie sich zu diversen Banden zusammenschließen, um Abenteuer zu erleben, war bereits in den 2000ern anachronistisch. Schon damals saßen Kids, wenn sie nicht gerade bei irgendeinem Sportkurs waren, meist unbeaufsichtigt zu Hause an der Konsole oder am PC. Und von dort war der Weg zum Internet und damit zu den Pornos nicht weit. Laut aktuellen Studien besitzen inzwischen fast 100 Prozent aller 12-Jährigen ein Smartphone, was die Pornos noch greifbarer macht. Einige dieser Digital Natives lernen offenbar tatsächlich früher, Sexstellungen zu unterscheiden, als wie man küsst. Da ist es fast noch niedlich, wenn die „Good Boys“ sich versuchen, in Internet-Pornos über Küsse zu informieren und sich dabei wie „Kevin allein zu Haus“ erschrecken.

Pornos waren bei den jugendfreien „Vorstadtkrokodilen“ freilich kein Thema. Dafür wagten sich hier Hannes und Maria sehr viel unverkrampfter an das Thema Knutschen heran. Drückte Hannes beim Happyend des ersten Teils ihr schnell einen Kuss auf die Wange, üben die beiden im zweiten Teil das Geküsse mehrmals. Dass die sogenannte Generation Porno eher auseinander- als zusammenkommt, weiß die Wissenschaft übrigens ebenfalls zu berichten.

Und wieder: Rock und Indie statt HipHop

Bis auf etwas Rumgestöhne zu Beats machte die „Vorstadtkrokodile“-Reihe einen riesigen Bogen um ein besonders heikles Thema der 2000er: Porno- und Gangsterrap – Stichwort Aggro Berlin. Der paradigmatische Titelsong der Serie war „Superhelden“ der Schüler-Rockband Apollo 3. Kam Fabian Halbig, der den Rollstuhlfahrer Kai verkörperte, selbst von der Punkband Killerpilze, spielten Apollo 3 im Jahr 2010 selbst in einem Kinofilm namens „Teufelskicker“ mit. Angeführt wurde der Soundtrack zu „Vorstadtkrokodile 2“ durch den Titel „Dieses Ende wird ein Anfang sein“ der Indieband Virginia Jetzt!.

Zwar fluchen die Bean Bag Boys im Gegensatz zu den Krokodilern, ganz so wie es die Rapper tun. Doch erstaunlicherweise ist der Soundtrack von „Good Boys“ kaum HipHop-lastiger geworden. Außer Lil Pump und Lil Uzi Vert („Multi Millionaire“) kommen keine echten Rapper vor, auf die die heutige Kindergeneration doch so stehen soll. Stattdessen setzen die Macher ebenfalls auf Indieacts wie Fun. und Grimes und auf Rockklassiker wie Asia und Judas Priest. Ganz auf der Welle des anhaltenden 80er-Revivals tobt sich im Film zudem Nachwuchssänger Thor zu „Walking On Sunshine“ (Katrina and the Waves) und „I Want to Know What Love Is“ (Foreigner) aus.

„Good Boys“ ist also so etwas wie „American Pie“ mit Kindern. Wem die „Vorstadtkrokodile“ zu brav waren, der wird mit Max, Lucas und Thor jede Menge Spaß und Action erleben. Egal in welchem Alter.

„Good Boys“, seit 22. August 2019 im Kino

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