Kurz & klein


von Michael Saiier „Macht’ich nicht mal geschenkt!“, sagt der Mensch zum Großteil dessen, was Labels so in die Welt ballern. „Kriegst du auch nur geliehen, ätsch!“, sagt der urlaubsvertretende Interims-Plattenmeister; und da mag die Sonne scheinen, die Luft bläuen, mögen Bäche, Wiesen, Seen „Komm!“ rufen – einer muss es hören, das Zeug, das niemand hören will. Verbinden wir also die Pflicht mit der Selbstverpflichtung: aufs Rad mit Zeug und Mann und Spieler an. Los geht’s noch mitten im frühkühlen Schwabing mit Hope Of The States. Deren Gitarrist hat sich während der Aufnahmen zu the lost riots (Sony) erhängt, das macht ein wenig Mulm, aber es ertont bloß pathetischer Breitwand-Rock, wie er derzeit unerheblichst aus jedem Übungskeller zwischen Obermenzing und Ottobrunn schallt. Beschleunigt allerdings die Pedale; vielleicht weil man unbewusst hofft, es komme dann bald was anderes.

GOODBYE TO DUSK FAREWELL TO DAWN VOn The Amber Light (Quixote/Zyxl säuselt und pömpelt so rum – möchte Pink Floyd und Genesis (um 1979) sein, wahlweise Radiohead, Coldplay, Talk Talk bla bla. Hat aber weder Ideen noch Songs noch sonst was, auch nicht den Gänsehaut-Charme deutscher Mitt-70er-Prog-Tölpeleien. blofi ein HaUgerät, durch das sie die monotone Wichtigtuerei hindurchjagen, wenn’s mal wieder Zeit für Weltumarmung ist, und einen Sänger, dessen Cabaret-Yorke-Geheul schlimmer ist als ein geplatzter Reifen im Platzregen am Ratzingerplatz. Ich bin jetzt mal Weltkönig und befehle: Radiohead-Äfferei sei fürderhin strengst verboten, sonst raucht’s. Bei Donots stimmt immerhin der Plattentitel: got the noise (GUN/BMG) – Wan-Tor-Fri-Fa-Beamten-Punk für 45-jährige Bierwampen mit Texten in Scorpions-Englisch. Passt prima zum Kampfauto-Krieg auf dem Mittleren Ring und macht live vielleicht sogar Halbspaß. Wenn man grade auf dem Klo ist und nicht noch 14 identische Kapellen ertragen muss. Nichts gegen das Rocken, aber es muss halt rocken, und dies rockt wie ein Meerschweinchen, das in den Ventilator geraten ist. Gott sei dank, da steht ein Papierkorb. Mehr rocken The Catheters. howlimg _ it grows and growsüi ISub Pop) ranzt aber dermaßen nach The-Ranschmiss, aufgewärmter Voidoids-Stooges-Suppe und Heilige-Scheiße-sind-wir-ver-zwei-felt!-Getue, dass es richtig losgehen nicht will. Oder? Immerhin: zweite Chance verdient (wie jetzt „nur geliehen“!?). Losgehen tut andererseits houses of the mole IMayan] von Ministry. Mit einem Carmina-Burana-Sample. Der sticht ins Ohr wie eine Glasscherbe, dann quillt minderwertiges, schmerzhaft schlecht produziertes, musikfreies Dresch hinein – ich vermute, dass dieses weltweit genormte Rwoop!-Aaaaargh!-Metal-Geknüppel ähnlich hergestellt wird wie Straßenasphalt (ohne menschliche Beteiligung, sonst hätten die sämtliche Gewerkschaften und Menschenrechtsvereine am Halsl. Alle Titel fangen mit“.W“ an, das findet die Plattenfirma“.genial“ (weil es angeblich „gegen Bush “ ist). Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte bei so was, und angesichts der Vorstellung, von solchen Gestalten regiert zu werden, ist mir glaub‘ ich die Bush-Bande noch lieber. Der Bababababa-Plastik-Toast-Rap von Elephant Man auf gooo 2 00 IVP/Atlanticl ist danach für drei Minuten erholsam, dann nervt das Geplapper und die billigen Norm-Samples. Man möchte lieber Hummeln brummein hören. Oder Vergleichbares: Nina Nastasia ist, ähem, Singer/Songwriterin, und dogs ITouch & Go] zweifellos ein schönes Album. Es war ihr erstes, 1999 erschienen und nun, weil so viele Leute danach fragten, neu aufgelegt. Klingt ein bisschen nach Rickie Lee Jones und ist, na ja: schön halt. Schade, dass es schon 2.000 solcher Alben gibt. (Etwas) weniger gibt es von Los Lobos, trotzdem und trotz Gästen wie Richard Thompson, Elvis Costello, Tom Waits usw. klingt der Latino-Rock auf the ride IWEAI wie Pizza: nicht neu, nicht schlecht, aber auch nicht knusprig, aufregend schon gar nicht. Vom Ritt zum Glitt: Gilde ist Will Sergeant von Echo & The Bunnymen und probiert auf curvatore of the earth (Cooking Vinyl) fast alles durch, was er kann und kennt, vom Sphärenschlock bis zum Elektrobiep. Streckenweise nett zu hören, aber auch nicht weltkurvenbewegend.“.Diese Songs dürfen in keiner Jukebox am Ende des Weltraums fehlen darf-Deutsch dieser Art dürfen in keinem Waschzettel fehlen darf. Mono heißen Bands nur in Japan, walking CLOUD AND DEEP RED SKY. PLAG FLUTTERED AND the sun shined (Ryko) heißen Platten auch nur in Japan, und weil dort offenbar kein Mensch Songs schreiben mag, ist mal wieder von „Soundtracks“ lohne Film) die Rede, „to the end of the world diesmal.

Das schreibt man so gern zu schwellendem Sphären-Mulm, dass ich mir aus Ironie-Gründen wünsche, die Welt möge mit einem kurzen „Klick!“ untergehen. Am Ende der Münchner Stadt wachsen zu den hübsch imaginativen Flächenklängen immerhin Schwammerl. die es gar nicht gibt, und am Ende sind sie plötzlich wieder weg und die Welt ist wieder da. Huch. Und the belgian kick llci d’ailleurs/Cargo) von The Married Monk (na gut: hihihül: flockig-entspannter Tanzcafe-Pop mit etwas viel künstlichen Instrumenten und etwas obercoolem Gesang. Möchten verschrobener sein, als sie sind, die drei Burschen, und obwohl recht harmlos, würde das mehr Leuten gefallen, als die Platte je hören werden. Noch viel besser: The Good Life spielen auf der EP lovers need lawyers ISaddle Creek) bloß sechs Songs, aber die klingen fröhlich-boshaft nach Kinks und haben mehr Substanz als alles bislang Gehörte zusammen. So ist das Leben und die Plattenindustrie: Das Gute kommt immerzu kurz, schnüff. Der Nachmittag zieht heran, und die Hörreise führt nicht umsonst an der Großlappener Mülldeponie vorbei: Die H-Blockx wollten vor zehn Jahren die deutschen Chili Peppers resp. Metallica werden und versuchten sich zwischendurch an kalifornoidem BWL-Rockpop. Daran sind The Sweet auch schon mal gescheitert. Ach so, das Album heißt no excuses (E.S.P. und eine Watschen für den Hüsker-Dü-untertitel „Songs And Stories „). Textprobe:

..l’ve heardit all before – aber selten so“

furchtbar alt, freudlos und qualvoll öde. Gilt auch für den widerlich aufgedonnerten Laut-leise-Krähen-Rock von Coheed And Cambria auf in keeping secrets of silent earth: 3 lEqual Vision! – da kann einem die Lust am Musikhören insgesamt vergehen und die am Leben gleich dazu. Hinterher klingt A Girl Called Eddy (gleicher Titel, Anti/SPV) wie das Paradies auf Erden: sanft melancholierend, luftig und leicht wie eine Spätsommerbrise, romantisch, elegant, hier und da ein Melodiechen bei Morrissey gemopst und eine kleine Phrasierung bei Aimee Mann abgeschaut… wie kann eine solche Platte in der Kiste landen? Keiner Zeit zum Hören gehabt? Hab‘ ich jetzt auch nimmer; ist unfair, weiß schon, aber Platz geht aus, Ohr verhornt, und Fußballplatz und Biergarten rufen immer drängender, also ruckzuck: Im superhercato (gleicher Bandname, Hotophon/Edel) kaufe ich grundsätzlich nicht ein; immerhin: Die Jazz-Reggae-Latin-Tanz-Pop-Pampe klingt straßenfesttauglich. Und ein Tbe-Fall-Tribute-Sampler aus dem Hause Hilsberg – das muss super sein! perverted by mark e. (Zickzack ist aber leider fad, uninspiriert und ein Schmarrn. Nicht immer ist schlecht the new gut, und Tocotronics falscher Konjunktiv kein Ersatz für Smithsprech. Grüß Gott, eine Maß Dunkles bitte. Und auf Wiedersehen.