Lana Del Rey


Lana Del Rey hätte ihren goldenen Käfig niemals verlassen dürfen, hat es dann aber doch geschafft – als Frau des Jahres 2012.

Sich über Lana Del Rey lustig zu machen, das war sehr schnell sehr einfach. Noch im ausklingenden Jahr 2011 hatte man sich wieder vom Zauber ihres Songs „Video Games“ und des zugehörigen Hipstamatic-Videos befreit. Und schon stand sie da verloren herum, hintenraus an irgendeinem Beverly-Hills-Swimmingpool, zwischen den Insignien und 50s-Dekorationsgegenständen ihres am Schmink- und Schneidetisch zusammengebastelten Pulp-Image. Als One-Hit-Wonder mit voluminösen Haaren und Lippen. Ein Abziehbild mit Valium-Augen. Letztlich nur eine weitere Retro-Laune des Pop im 21. Jahrhundert.

Der Backlash kam schon, da war ihr Debütalbum Born To Die unter dem Alias Lana Del Rey (sie hatte sich zuvor schon als Lizzy Grant an Alternative Pop versucht) noch gar nicht erschienen. Ihr wenig souveräner TV-Auftritt im Januar bei „Saturday Night Life“ genügte, um die Sängerin zur Witzfigur zu degradieren. Das Netz metzelt, es fackelt nicht! So gut ausgedacht die Kunstfigur Del Rey auch war, an der entmystifizierenden Realität einer taghell ausgeleuchteten Livesituation musste sie zerschellen. Ihr sympathischer, wacklerfreier Nachmittags-Gig beim Melt-Festival im Juli war schließlich kaum noch mehr als eine Fußnote.

Doch während Spotter und Spötter sich längst anderen Wallungen hingaben, verliebte sich der Mainstream in Lana Nostalgia. Die Singles „Born To Die“, „Summertime Sadness“ und der Coversong „Blue Velvet“ (weil die bisherigen David-Lynch-Querverweise offenbar noch nicht offensichtlich genug waren) wurden Radio- und sogar richtige Hits. Born To Die ging schließlich in Deutschland und in Großbritannien auf Platz 1 und in ihrer Heimat, wo man anfangs kaum mehr als Hohn für sie übrig hatte, auf Platz 2. Eine „Paradise“-Edition von Born To Die mit einer zusätzlich beigelegten 8-Song-EP erschien rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft. Am Jahresende sind rund drei Millionen Exemplare des Albums verkauft.

Für das Frühjahr 2013 hat die bereits mit mehreren Werbeverträgen versorgte Lana Del Rey, die im letzten Viertel des Jahres als Beleidigte-Leberwurst-Gesicht der aktuellen H&M-Kampagne von allen Litfaßsäulen herunterschmollte, sogar eine richtige Tour angekündigt. Sie begibt sich damit freilich wieder in größte Gefahr. Denn so wie David Lynch sein „Twin Peaks“ niemals auf der Freilichtbühne in Bad Segeberg aufführen würde, so sollte auch Lana Del Rey im Reich ihrer Bilder bleiben. Hindrapiert im goldenen Käfig, da ist ihr Platz.