Les Immer Essen


Man war aufs Allerschlimmste gefaßt! Wie oft schon drehte das wohl verwöhnteste Konzertpublikum der Welt einer Vorgruppe eiskalt den Rücken zu, um eventuelles Mißfallen besonders drastisch zu demonstrieren. Probleme technischer Natur — London ist zwar genauso weit von Köln entfernt wie München, hat aber trotzdem ganz andere Stromstecker! — und die üblicherweise nicht gerade kollegialen Roadies der Headliner (Blow Monkeys) raubten der Band dann den allerletzten Nerv.

Doch selten ein Nachteil ohne Vorteil! -— und so stapften die Kölner kurz vor Neun mit einer Nonchalance aufs Mini-Podest, die ihnen nicht nur gestattet, gleich gut Gas zu geben, sondern auch einen absolut professionellen Eindruck hinterläßt.

Les Immer Essen starten ihren Set mit „Flicker“, einem Stück, das gleich zu Beginn die Marschrichtung der Band definiert: ein Sammelsurium britischer Pop-Gepflogenheiten der letzten 15 Jahre, brav dargeboten, zu brav vielleicht, wäre da nicht Sänger Sonis -— eigentlich Victor Hansonis —- der bald alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Er ist sich seiner magnetischen Kräfte zwar noch nicht ganz sicher, doch steckt in seinem seltsamen Wechselspiel zwischen Intro- und Extrovertiertheit, verbunden mit einer erfreulich starken Persönlichkeit in der Stimme, ein zweifellos enormes Potential an Charisma. Bei guter Führung ist da einiges zu erwarten.

Schon als dritter Song wird einer der schönsten aufgeboten: „Imagine“. mit schlüpfrigem „Existentialisten-Croove“ (Sonis), auch ohne die Streicher-Einheiten der LP-Version magisch genug, um immer mehr Briten aus den alkoholisierten Vorräumen anzulocken.

Das befürchtete Desaster bleibt aus. Im Gegenteil, vereinzelte weibliche Teile des Publikums beginnen sich sogar ordentlich zu bewegen — und die Pausen zwischen den Songs werden doch tatsächlich mit Applaus versüßt. Zu Recht, werden doch die Kölner immer sicherer. „Hand Take“ beispielsweise gerät nach bedrohlich düsterem Intro zum vitalen Höhepunkt.

Als man dann aber endgültig bereit ist. alle Hemmungen abzulesen, zeiet der Production Manager kein Erbarmen: Gerade als Les Immer Essen zum vorletzten Song, Cockney Rebeis „Mr. Soft“ ansetzen, laßt der gute Mann das Saallicht anmachen, angeblich um den Zeitplan nicht durcheinander zu bringen. Doch die Band, die sich achselzuckend verabschiedet, darf trotzdem zufrieden sein. Auch anwesende Londoner Industrie-EMlnenzen zeigten sich angetan, was dem weiteren Karriere-Verlauf nicht unbedingt schaden sollte.

Als dann eine halbe Stunde später Dr. Robert seine (neuerdings mit zwei schwarzen Chordamen verstärkten) Blow Monkeys durch ein soulig kommerzialisiertes Programm führt, waren unsere London-Abenteurer schon auf dem Weg nach Soho, um sich dort ein indonesisches Abendmahl munden zu lassen. Sie hatten sich’s verdient.