Lichter der Großstadt


Englands schärfster schreibender Beobachter gibt sein Regie-Debut und liefert mit „London Kills Me" eine neue Variation zum Lieblingsthema.

„Ich habe Essays, Theaterstücke, Drehbücher und einen Roman geschrieben — und jetzt führe ich auch noch Regie“, bilanziert Hanif Kureishi schnörkellos-selbstsicher und ergänzt: „Alles Sachen, die normalerweise allein für ein Leben ausreichen.“

Klingt arrogant für Leute, die Kureishi noch nicht kennen. Der 37jährige Sohn einer Engländerin und eines Pakistanis allerdings schreibt schon seit seinem 12. Lebensjahr und ist sich seiner Sache einfach sicher. Die Resultate sprechen für sich: „The Mother Country“ erhielt 1980 den „Thames Television Playwright Award“, seine beiden Filmdrehbücher zu „Mein wunderbarer Waschsalon“ und „Sammie und Rosie tun es“ wurden von Stephen Frears kongenial verfilmt. Und spätestens seit seinem erfolgreichen Debut-Roman „Der Buddha der Vorstadt“ kletterte der clevere Kureishi endgültig auf den Thron der Londoner Kultur-Szene. Sein Hofstaat wächst von Tag zu Tag, denn Kureishi tappte bislang nicht in die Fallen von Zeitgeist und Zaster. Sein erster Film — „London Kills me“ — erzählt lakonisch und schmucklos vom banalen wie tragischen Überlebenskampf junger Großstadtratten: „Ich verstehe nicht, daß Leute immer wieder alte Kamellen ausschlachten. Man muß sich doch nur mal im Völkergemisch Londons umsehen, um Geschichten zu finden.“

Kureishi seziert seine Helden: Er beobachtet ihre Lebensumstände, berichtet von Ängsten und Hoffnungen, respektiert ihre Träume. Und das mit einer nonchalanten Zurückhaltung, die man dem vollmundigen Rabulistiker gar nicht zugetraut hätte. Das ist wohl das Geheimnis von Kureishi: Er macht immer das Unerwartete. „London kills me“ jedenfalls ist das Gegenteil von zynisch und teilnahmslos. Kureishi plagte ein Anliegen — wer hätte das gedacht? Vielleicht überrascht den verschmitzten Dauerlächler das Ergebnis seines Erstlings ja selbst. Sein Motto bei den Dreharbeiten jedenfalls hieß, frei nach Beckenbauer: „Schaun mer mal!“ Und heute erinnert er sich amüsiert an seinen Regieeinstand: „Meistens wußte ich morgens nicht, was ich am Abend machen würde. Wär ja auch langweilig gewesen.“