Lightspeed Champion, London, Dingwalls


Der einstige Nu-Rave-Champion erfreut und verwirrt mit Geige und synthetischer Pelzmütze - und erfindet Nu-Brit-Bluegrass.

Schon kühn, dieser Devonte Hynes. Da gilt der Test leide gemäß offiziellen Angaben -nun gut: New Musical Express-als einer der kühlsten Köpfe Großbritanniens. Und gleich erfindet er sich neu als singender Songschreiber mit geigenden Tendenzen. Das hätte mächtig ins Auge gehen können. Aber Dingwalls-im Gegensatz zur VIP-Spelunke Hawleys Arms von der Feuersbrunst verschont geblieben, die neulich in Camden wütete-ist seit Tagen ausverkauft. Was Lightspeed Champion mit seinem Debüt-Album bietet, liegt weitab von den derzeit bevorzugt ausgetretenen Pfaden. Aber es ist auch nicht retro. Feine Melodien und Pedal-Steel-Gitarren sind zeitlos. Aber Herrgott! Dev Hynes hat schon wieder eine Kurve geschraubt. Zu seiner Band-Drums, Keyboard, Bass, Gitarre -gehört auch ein Geiger. Und der fidelt nicht nur, wie auf dem Album, ein paar nette Akzente in den Sound. Nein, der geigt permanent. Mal im Stil eines Gipsy aus der Bukowina, mal wie das Fräulein von Arcade Fire. mal wie der Teufel persönlich. Dadurch rückt der Sound weg vom sahnigen Singer/Songwriter-Groove der CD, hin zu einer eigentümlichen Fusion von Indie-Gitarren und Post-Bluegrass-Bluegrass.

Drei Dinge werden schnell klar. Erstens: Dev Hynes hat eine Kälte-Fixierung. Selbst in diesem Backofen zieht er nie die synthetische Fellmütze ab, dazu trägt er ein Shirt mit der Aufschrift „Hobart Bay, Alaska“. Zweites: Hynes ist ein hervorragender Gitarrist, klaubt die vertracktesten Motive aus den Saiten seiner baufälligen schwarzen Klampfe. Drittens: Hynes hat ein paar unglaubliche Ohrwürmer im Gepäck. Zugegeben: Die CD hat nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten den Player dieses Schreibers seit Tagen nicht mehr verlassen, Vertrautheit mit den Refrains ist also gegeben. Aber das Publikums-Echo bei 5ongs wie „Devil Tricks For A Bitch“ und „Everyone I Know Is Listening To Crunk“, bei denen der Jubel nach den ersten Tönen in gemeinschaftlichen Karaoke-Gesang übergeht, deuten an, dass yours truly nicht allein da steht. Natürlich präsentiert der Champion die Songs der CD, dazu ein neues Lied über Prostituierte sowie die „Star Wars“-Titelmelodie. Alles erstklassig, nur wünschte man sich, zur Band gehörten noch all die anderen Musiker von Arcade Fire und alles klänge noch süffiger. Merkwürdig zum Schluss die Reaktion des Publikums: nach einem orgiastischen, zehnminütigen „Midnight Surprise“ staunt es wie erschlagen dem scheidenden Champion nach und vergisst ganz, eine Zugabe zu verlangen. Pervers.

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