Popkolumne, Folge 11

Mit Ducktales, Namika, Chris Imler, minderbemittelten Machos sowie dem letztgültigen Text gegen die Stones: Die Popwoche im Überblick


In seiner Popkolumne präsentiert Linus Volkmann High- und Lowlights der Woche. Welche Künstler, welche Songs, welche Filme lohnen sich (nicht) – und was war sonst noch so los? Hier Folge 11. Mit der Rückkehr der Hörspielreihe „Die Gruselserie“, der Party des Jahres (1933) in der Wolfsschanze von und zu Matussek, dem deutschen Autorenpreis für Namika und sieben (!) Text-Helferlein sowie Chris Imler live. „Der verhasste Klassiker“ geht – ganz prominent – diese Woche an die Stones.

LOGBUCH: KALENDERWOCHE 11/2019

Es hilft ja nichts! Besuch in der Hauptstadt steht bei mir an. Wie gewohnt ist es hier kälter und zugiger als im Rest der Welt. Eine nervenaufreibende Metropole, deren Faszination sich mir auch heute trotz all meiner Offenheit (lies: Verbitterung) null erschließt. Immerhin lerne ich auf der Reise einen der zentralen Autoren der ewig besten deutschen Serie „Stromberg“ kennen. Kurz denke ich, wir werden beste Freunde und erzähle ihm begeistert Dialoge der Sendung nach. Vielleicht ein paar zuviel. Er wechselt das Thema – und zwar in Richtung: „Du, ich muss dann auch mal weiter“.

Glasnudelsalat in der Abflughalle Berlin-Tegel. Teurer als ein Kleinwagen, aber immerhin schmerzhaft scharf statt wie erwartet sägemehlig geschmacklos.

GEBURTSTAGSPARTY DER WOCHE: Gratulation an Matthias Matussek zum 65.

Hand aufs Herz: Wer würde nicht wirklich „zu kauen haben“, wenn plötzlich Reinhold Beckmann bei der eigenen Party auftauchte, um einem was von Bob Dylan auf der Wandergitarre zuzumuten?

Doch der prätentiöse Grusel-Barde wird bei dieser Show selbst zum Opfer. Denn beim geschassten „Spiegel“- und „Die Welt“-Veteran Matthias Matussek geben sich die finstersten Gestalten des Neo-Cons-Game die Mistgabel in die Hand: Franz Josef Wagner, Erika Steinbach, Jan Fleischhauer… Von den richtigen Nazis gar nicht zu reden! Singing Beckmann rechtfertigt sich später auf Social Media für seine Anwesenheit und das Ständchen. Für die Naivität erhält er bei der linken Blase allerdings bloß den Stempel: „Matusseks williger Party-Helfer“. Und die AfD-Crowd? Die hasst ihn für die Distanzierung natürlich erst recht. Nur in der goldenen Mitte, dort rätselt man milde: „Wer war dieser Typ eigentlich überhaupt?“

KONZERT DER WOCHE: Chris Imler und Albrecht Schrader

Zwei virtuose Multiinstrumentalisten und Alleinunterhalter, die dennoch äußerst verschieden rüberkommen: Schrader als der thin white nerd mit dem musikalischen Pin-Up-Faktor eines Konservatoriums-Genius und Imler, diese faszinierende Selfmade-Tarantula mit dem verruchten Menjou-Bärtchen-Charme. So divers zeigten sich dann auch die jeweiligen Sets im Acephale – einem Club unweit des legendären Kölner Bermuda-Dreiecks von Luxor, Blue Shell und Stereo Wonderland. An Schrader ist seine Zeit im Rampenlicht als Bandleader beim „Neo Magazin Royale“ nicht spurlos vorbeigegangen. Mit souveränen Entertainer-Qualitäten führt er durch seine fließenden, Dorau-angehauchten Pop-Stücke. Imler dagegen wie immer weit rhythmus-fixierter. Probiert einiges aus, hadert mit der Technik und zum Schluss tanzen und tropfen aber dann doch alle. Ein würdiger Showdown für dieses Gipfeltreffen.

Chris Imler live im Acephale, Köln

PROVOKATION DER WOCHE (gähn): Finch Asozial feat. Big Mike

Die Schnittstelle zwischen Asi-Rap und Ballermann blockiert aktuell sehr eindringlich der Ost-Berliner Rapper Finch Asozial mit seinem gebärfreudigen Becken. Zusammen mit Kölns selbsternanntem Testosaurus Big Mike veröffentlicht er zum internationalen Frauentag den frauenfeindlichen Song „Der letzte echte Macho“. Musikalisch allerdings dermaßen lame, dass man abgeschaltet hat, bevor man sich überhaupt von den tristen Penis-Lyrics triggern lassen konnte. 

Kleiner Einblick in den Text. Das ganze Video sei hier bewusst nicht verlinkt. Wer sich das geben will, bitte selbst googeln.

NOSTALGIE DER WOCHE: Comeback der Gruselserie

In einer Zeit, in denen Color-Codes bei Produkten noch eher Zufall als Marketing-Strategie darstellten, sprach allerdings die Kombi „Giftgrün und so komisches Purpur“ bereits für sich. Im Hörspiel-Kassettenschrank erkannte man so die 18 Folgen der „Gruselserie“ von H.G. Francis. Abgeschlossene Storys zum, nun ja, Gruseln eben. Meist kurzgeschlossen mit klassischen Motiven wie Mumien, Werwölfen oder zum Beispiel „Gräfin Dracula – Tochter der Bösen“ und „Frankensteins Sohn im Monsterlabor“. Aber auch Creature-Horror mit Monsterspinnen und Riesenameisen war dabei. Autor H.G. Francis verstarb 2011, doch dieses Jahr nun erscheint beim Original-Label Europa die Fortsetzung der legendären 80er-Jahre-Reihe – allerdings in anderen Farben (Wut!).

André Minninger, der seit Jahrzehnten Skripte für „Hanni & Nanni“, „TKKG“ und „Die drei ???“ verfasst, trägt Sorge fürs Gruselserien-Comeback. Die ersten beiden Reboot-Folgen, „Polterabend – Nacht des Entsetzens“ und „Yeti – Kreatur aus dem Himalaya“, sind überraschend nah dran an der Atmosphäre ihrer ikonischen Vorgänger. Keine süffisanten Wortgefechte, die sich erfolgreiche Reihen wie „John Sinclair“ von „James Bond“ entlehnt haben, nein, einfach: Story, Soundeffekte plus die dunkle Bedrohung. Mich hat’s so monströs unterhalten, ich habe von jenem Minninger daher einfach noch mal mehr wissen wollen. Er hat, während er Auto fuhr, die Antwort getippt. Bitte nicht nachmachen!

Was war das Spezielle, was Du von der Gruselserie ins Jetzt rüberbringen wolltest?

ANDRE MINNINGER: Nun, Horrorhörspiele gibt es ja zuhauf. Daher ist es mir wichtig, bei der Gruselserie den Trash-Faktor beizubehalten. Was nicht negativ gemeint sein soll. Ich stehe auf Trash – zumindest wenn er gut und liebevoll gemacht ist. Hin und wieder war es aber auch reizvoll, mit der Vorlage zu brechen. Denn das, was in „Polterabend“ beispielsweise die Haushälterin der alten Rentnerin beichtet, wäre 1981 niemals abgesegnet worden!

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MEME DER WOCHE

FILM DER WOCHE: „Ducktales – Der Film“

Was gibt es Neues auf Netflix? So einiges natürlich, Kollege Soethof hat sich ja bereits über die vielleicht interessanteste Bereitstellung der Woche ausgelassen – und zwar über „After Life“, der neuen Serie von Ricky Gervais. Damit könnte man es eigentlich schon bewenden lassen…

Ich nutze das und verweise heute einfach mal „nur“ auf einen unterschätzten Filmklassiker: „Ducktales: Der Film – Jäger der verlorenen Lampe“. Im Ernst! Dabei kiffe ich nicht mal und habe keine Kinder. Allerdings in den 90er-Jahren auf RTL regelmäßig „Ducktales“ als Serie samstags nachmittags geguckt. Keine Ahnung, welche persönliche Schieflage mit diesem Ritual damals verbunden war. In Erinnerung blieb mir jedenfalls die abenteuerlastige Reihe der beliebten Entenfamilie. Für die man – auch auf Spielfilmlänge – gar nicht so viel Ironie aufbringen muss, wie man zuerst vermutlich denken mag…

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SONG DER WOCHE: Namikas „Je ne parle pas francais“

Wer miesen Pop mit einem Hang zum Ethno-Kitsch und positiver Diskriminierung feiert, hat sicher mehr als einmal auf Namikas „Je ne parle pas francais“ geklickt. Irgendwoher müssen die über 37 Millionen Klicks ja auch kommen. Nun wird Namika aus Frankfurt dafür der Deutsche Musikautorenpreis verliehen. Doch wenn derart viel geheuchelter Gefühls-Sperrmüll vor die Radio-Auffahrt geparkt wird, weiß der Profi natürlich heutzutage, da steckt garantiert mehr als nur eine Autorin drinnen, um dieses Patchwork aus Elend und Marktforschung auf den Weg zu schicken. Und richtig… den Autorenpreis für das unsägliche Stück nehmen neben Namika noch sieben weitere Mitverfasser entgegen. Herzliche Gratulation! Demnächst bitte zu achtzehnt einen Song darüber schreiben, wie toll „der Afrikaner“ tanzen kann.

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DER VERHASSTE KLASSIKER:
Rolling Stones

Rolling Stones
„Beggars Banquet“
(VÖ 07.12.1968)

Rock’n’Roll, liebe Freunde, hat für mich immer auch wahnsinnig viel mit Sinnlichkeit zu tun. Musik als Vertonung von Vorfreude-Tröpfchen, dafür standen die Männer der britischen Gruppe Rolling Stones mit ihrem Steifen.

Man kann es sich heute im Autotune-Hades gar nicht mehr vorstellen, aber für die damalige Elterngeneration war dieser verschnarchte Blues-Gitarren-Rip-Off eine offene Provokation. Die Hungerwinter der Nachkriegszeit hatte man locker durchgestanden, den größten Fressfeind in Form des Kartoffelkäfers händisch von jeder einzelnen Ackerpflanze gepflückt – aber gegen Mick Jagger und die anderen Opas (schon damals nicht mehr die jüngsten) schien man machtlos.

Wer sollte die Kids vor diesem Soundtrack der offenen Hose bewahren – etwa der sozialdemokratische Kanzler Willy Brandt? I don’t think so, dachten da viele und schossen sicherheitshalber mal auf den viralen Studenten-Influencer Rudi Dutschke.
Nicht das einzige Attentat, das zumindest indirekt auf diese Platte zurückgeht. Ganz konkret hat dieser jahrzehntelange Junggesellenabschied a.k.a. Rolling Stones mit „Beggars Banquet“ auch den Honky-Tonk-Sound gekillt.

Mahnendes Beispiel dafür der Song „Sympathy For The Devil“, den viele wegen seiner Überlänge von 6 Minuten und 18 Sekunden abgespeichert haben unter dem Alternativtitel: „Ist diese Nummer denn immer noch nicht fertig?“

Noch weit bis in die Achtziger Jahre war die Band nach diesem Fiasko aktiv. Heute allerdings dürften höchstens betagte Zeitzeugen wie Franz Müntefering, Martin Walser oder Dagmar Berghoff diese Schwellkörper noch kennen. Was Mick Jagger und Co. heute machen? Moment, ich werde es kurz googeln für Euch… bitte, was?… Das darf doch nicht wahr sein?! … Ihr ahnt nicht, was ich gerade herausgefunden habe…

– Linus Volkmann („Musikjournalist“)

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte von Linus Volkmann im Überblick.