Kolumne

Kool Savas‘ Untergang, toxische Typen, #IBES, Jens Friebe: Was Ihr diese Popwoche nicht verpasst haben dürft


Linus Volkmann präsentiert in seiner neuen Popkolumne die High- und Lowlights der Woche. Welche Künstler, welche Skandale, welche TV-Shows lohnen sich – und was war sonst noch so los? Hier Folge 3. Mit Kool Savas, Jens Friebe, dem Gillette-Spot, Tool und mehr.

LOGBUCH 2019, KALENDERWOCHE 3

Es ist mir endlich gelungen, einige der Aggressoren abzuwerfen, die viel zu lange an meinen vertrockneten Devisen-Brüsten saugen. Vor allem bin ich diese Zusatz-Versicherungen von Bumskopp ERGO los. ERGO, die mit meinem Geld doch nur wieder und wieder eklige Lustreisen für ihre erregtesten Vertreter organisieren.
Außerdem habe ich Fitness First von 68 Euro auf 40 Euro Mitgliedsbeitrag gedrückt. Kleine Komfort-Einbußen gehen damit natürlich einher. Ich muss beispielsweise jetzt am Hydranten duschen und durch die Hundeklappe rein. Aber das ist streng genommen doch auch schon Workout!

UNTERGANG DER WOCHE: Kool Savas

Kool Savas ist zurück – und zwar mit der Promophase für sein nächstes Album. Das allein ist ja nichts Besonderes. Bald fünf Jahre nach MÄRTYRER kommt nun bald AUTARK, why not?

Doch diese Ankündigung hat es in sich. Müßig sie zu paraphrasieren. Marx und Donald Duck sollte man ja auch im Original gelesen haben. Also, wer sie noch nicht gesehen hat:


DIE HOFFNUNG: Das ist ein Meta-Internet-Gag von Kool Savas. Er spielt mit dem Wahnwitz digitaler Untergangspropheten und kreiert das neue Comedy-Subgenre: Aluhut-ploitation.

DIE BEFÜRCHTUNG: 
Diese ungute Nähe zu Reichsbürgerversteher Xavier Naidoo, die im Jahre 2012 das Jahrzehnt-Scheißalbum des Projekts Xavas GESPALTENE PERSÖNLICHKEIT ausschiss, hat Spätfolgen. Für Naidoo wurde diese Kollaboration damals schon zu einem Showstopper. Der Grund waren Zeilen, die Homosexualität und Kindesmissbrauch gleichsetzten. Genau, das war diese Nummer mit „Warum liebst Du keine Möse?“. Duettpartner Savas dagegen blieb vom Shitstorm völlig verschont. Doch mit der VÖ-Ankündigung wird klar, dass auch er Naidoo-Langzeitschäden davon getragen hat.

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DIE EINSCHRÄNKUNG:
Okay, wenn ich nächstes Jahr nach dem großen Bankencrash in einem ausgehöhlten Pferd unter freiem Himmel leben muss, dann werde ich persönlich nach Berlin laufen und Savas‘ Bunker suchen. Um mich bei ihm zu entschuldigen – und natürlich um zu fragen, ob er nicht doch etwas Honig für mich hat…

INSTA-HYPE DER WOCHE: Ei vs. Kylie Jenner

Dieses bescheuerte Instagram-Ei, damit füllt sich so eine Web-Kolumne doch von selbst.! [Hände reib] Dieses Bild von einem Ei als das meistgelikete Foto ever. Das interessiert die Musikexpress-Frühstückstyrannen sicher brennend! Eine triefende Background-Story, bei der selbst Claas Relotius die Tränen kommen (vor Wut).

Doch der ME-Redakteur so: „Nein, das Ei hatten wir schon.“

Ich so auf der Webseite:

„Fuck, er hat recht!

SENDUNG DER WOCHE: „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“

Das Dschungelcamp, dieses „Wetten, dass.. ?“ des neuen Jahrtausends, ist wieder da. Genau wie all seine formateigenen Probleme: Thematisch auserzählt und TV-mäßig erneut unter den Vorjahresquoten. Doch der dauerhafte Abwind stoppt, wie die vergangenen Tage bewiesen. Kein Wunder, ist das Schönste an „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ doch immer Folgendes: Völlig ohne Skript und ohne müde Beisenherz-Gags aus dem Off entwickelt sich bei den kasernierten Halbirren echtes Drama. RTL muss dann nur noch draufhalten und der Zuschauer erlebt endlich wieder das ersehnte Fremdschäm-High.

So geschieht es gerade im fernen Australien. Das im Unfrieden auseinandergegangene Pärchen Domenico de Cicco und Evelyn Burdecki hat das Casting der Sendung mit bösem Vorsatz wieder zwangsvereint. Vor laufender Kamera wurde zuletzt mehr schmutzige Wäsche gewaschen als in einer alten „Der weiße Riese“-Reklame.

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Zusätzlich darf man bei einem Quizspiel noch an dem erstaunlich brüchigen Weltwissen der beiden „Promis“ teilhaben. Dagegen wirken Fake News wie die Tagesschau, wenn Burdecki glaubt, Konrad Adenauer sei eine Schule, vom „amerikanischen Ozean“ spricht – und sich bei dem Thema „Volkskammer der DDR“ fragt: „Hat das nicht irgendwas mit Hitler und Juden zu tun? Ist das nicht alles von früher? Ich weiß nicht, ob man das im Fernsehen sagen darf.“

Wer einen Hang zu Trash-TV besitzt, erkennt sofort: Hier lohnt es sich mal wieder. Wer dagegen keinen hat, dem müssen die letzten Zeilen natürlich sehr merkwürdig vorkommen.

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KONTROVERSE DER WOCHE: Diese Gillette-Werbung

Ich hasse Image-Werbungen. Dieser sentimental manipulative Schrott, wenn die Hipster-Orangensaft-Marke plötzlich „Familie“ sein will oder die Versicherung das Gefühl von Heimat. Voll auf Rasurbrand hat sich nun Gillette von einer progressiven Agentur aufbürden lassen, den Kampf gegen toxische Männlichkeit anführen zu wollen.

JAOK. Doch was soll es dafür geben außer vor allem den geballten Hass von toxischen Männern (und manchen unguten Frauen)?

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YouTube-Kommentare, ein Auszug

Ob eben jener Hass, der der Marke gerade im sonst so aseptisch rasierten Gesicht explodiert, aber wirklich mit einkalkuliert war? Bei YouTube herrschen die Dislikes des Clips und in den Kommentaren tobt der Mannes-Zorn.

Egal: Keine Liebe für Companies, die soziale Bewegungen für ihr Image und ihren Profit auf sich münzen wollen. Aber dennoch Anteilnahme. Auf so einem breiten Level („Leute mit Bartwuchs“) toxische Maskulinität nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch noch komplett gegen sich aufzubringen, das beweist entweder Mut – oder eine völlige Fehleinschätzung der eigenen Kundschaft.

P.S.: Die deutsche Version mit coolen Väter-Bloggern ist (natürlich) der letzte Dreck. This is how we roll.

KONZERT DER WOCHE: Jens Friebe im Subway, Köln


Hier bin ich als Freund voreingenommen, aber was soll’s. Ist ja meine Kolumne. Nach der Show erzählt der übertrieben charismatische Solokünstler Chris Imler, der in der Band von Jens Friebe Schlagzeug spielt, von einem Ausflug nach Polen. Faustgroße Mücken hätten dort über sein Fläschchen Autan, mit dessen Inhalt er sich einrieb, nur gelacht. Die einzige Möglichkeit, vor den Biestern Ruhe zu haben, wäre gewesen, sich mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Die Umstehenden sind begeistert von der Anekdote. Genauso wie sie vorher von Chris, der Band und natürlich von Jens Friebe waren.

Ein gut gefüllter Club, alte und neue Songs im Wechsel (das aktuelle Album FUCK PENETRATION wird bis auf eine Ausnahme komplett aufgeführt). Drei Zugaben zum Schluss, bis die Band einfach nichts mehr hat. „Ein Abend voller Glück“ eben: „Du leihst ihn aus / und ich geb ihn zurück“, wie es im wirklich allerletzten Stück noch mal heißt. Vorab konnte man zudem noch die beliebte Musikexpress-Autorin und neue Titanic-Redakteurin Paula Irmschler lesen hören (siehe oben). Über Bob Dylan, Robotersex und Kacken bei Freunden. Danke dafür.

DER VERHASSTE KLASSIKER: Tool – das angeblich 2019 erscheinende neue Album

Rockmusik liege unter deiner Würde, für klassische Musik allerdings fehlt dir der bildungsbürgerliche Furor? Außerdem hast du hässliche Tattoos? Du trägst „Kinnbart und hörst Musik, die im CD-Player eines Vierer-Golfs rotiert“*?

Na, da sag ich mal: Hallo Tool-Fan!

Schon 2011 sollte ein neues Album erscheinen. Dass eine Band es allerdings einfach nicht hinkriegt, ist nichts Besonderes. Bei Tool – Eigenschreibweise tool – sieht sich dieses Versagen allerdings mythisch aufgeladen vom Genie-Kult, der um die narzisstischen Gockel aus L.A. betrieben wird. Man spürt den Steifen zum Beispiel schon beim Lesen, den der Autor des Wikipedia-Artikels besaß. Speziell wenn er sich der ach so krassen Show-Off-Rhythmik der Band zuwendet:

„So ist der Song ‚Schism‘ beispielsweise auf langer Strecke ein 12er-Takt, der in 5 und 7 unterteilt wird anstatt in 4 mal 3. Der 5er-Block ist wiederum subdividiert in 2+3, der 7er in 2+2+3.“

Ja, alles klar. Wir haben „verstanden“. Tool, diese System Of A Down für Leute, die nie Sex haben, können also 4komma5 Sechzehntel im Quadrat durch die Primzahl spielen. Hey, ganz ehrlich: Dass so ein Quark normalerweise nicht in der Musik vorkommt, hat Gründe. Aber wartet ruhig weiter, liebe Tool-Fans. Euer „Chinese Democracy“ wird auch schon noch erscheinen. Und es wird vermutlich ganz große prätentiöse Kacke sein – ohne dass Ihr Euch das je eingestehen dürft. Also noch viel Spaß beim Warten!

https://twitter.com/mjkeenan/status/1081207270342447105

[*zitiert nach Dennis Kühn]

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