Little River Band – Rock’n’Roll mit Schlips und Kragen


Gepflegte Musik für gepflegte Leute. Wie anders soll man den antiseptischen Pop-Schlock der australischen Saubermänner sonst schon bezeichnen. Musik, zu der man dezent das Bein t wippen kann (Achtung!!, die Bügelfalte!!) – * Musik, so beschwingt und heiter, daß man am liebsten laufend Eiskonfekt knabbern und vom letzten Urlaub auf Ibiza träumen möchte. Trotzdem gaben sie kürzlich in der Hamburger Markthalle ein Konzert, das man getrost ,Rockkonzert‘ nennen konnte – was Feeling der Band und des Publikums angeht…

Ich würde ja gerne behaupten, daß die Little River Band eine Rockgruppe ist“, gesteht Sänger Glenn Shorrock, „aber ich sehe auch die Gründe, warum wir es nicht sind“. Der Hauptgrund ist schlicht und einfach der, daß die LRB aus gestandenen Veteranen besteht, die stramm auf die 40 marschieren und – bis auf Gitarrist David Briggs – auch sicher im Hafen der Ehe vor Anker gegangen sind. Nette, freundliche, unauffällige Leute, für die Musik nicht mehr als harmlose und unverfängliche Unterhaltung zu bedeuten scheint. Die Auftritte in Las Vegas sind nur noch eine Frage der Zeit…

„Die Rock’n’Roll-Stars von heute , glaubt denn Shorrock auch zu wissen, „werden die Show-Personalities von morgen sein. Selbst als Sänger in einer Rockband muß man irgendwann einmal erwachsen werden. Überleg nur mal: Leo Sayer ist vielleicht der Sammy Davis der 90er Jahre, und Bette Midier könnte die neue Judy Garland sein“.

Die ersten Schritte zum Entertainer hat Glenn Shorrock mit seinen 36 Jahren bereits hinter sich gebracht. In Australien ist er ein gefragter TV-Moderator, macht Präsentationen von Musik-Veranstaltungen und hat gerade die erste Filmrolle angenommen. Und er ist beileibe nicht der einzige der Gruppe, der in seinem Hinterkopf schon an der Solokarriere bastelt. „Ich schätze, daß die Little River Band noch genug Dampf für drei oder vier Jahre hat. Als wir die Gruppe gründeten, wußten wir ganz genau, daß sie irgendwann auch wieder auseinandergehen würde. Gruppen haben das nun mal an sich. Aber vielleicht schaffen wir noch unser zehnjähriges Jubiläum“.

1975 war es, als mehrere australische Bächlein zur Little River Band zusammenflössen. Shorrock war Mitte der 60er Jahre Mitglied der Gruppe Twilights gewesen (neben den Easybeats die lokalen Favoriten), krebste dann einige Jahre in England als Sänger des „internationalen Rock-Ensembles Esperanto“ – und wollte schon die Musik an den Nagel hängen, als er in London seine Landsleute Beeb Birtles und Graham Goble traf. Beide waren in eine ähnliche Sackgasse geraten, nachdem ihre Countryrock-Gruppe ,.Mississippi“ einfach keinen Boden unter die Füße bekam. Mit Schlagzeuger Derek Pellici und Bassist Roger Mc-Lachlan starteten die Drei wieder zurück in Melbourne – einen allerletzten Versuch. „Es war meine letzte, verzweifelte Chance“, sagt Shorrock heute rückblickend. „Wenn es damals nicht geklappt hätte, wäre ich endgültig ausgestiegen. Ich hätte nicht mehr die Kraft gehabt, nochmal von vorne anzufangen. Ich hätte mir sonst wahrscheinlich einen Job in der Plattenindustrie gesucht.

Der Kelch ging noch mal an ihm vorbei. Dank eines rührigen Managements wurde aus den australischen Lokal-Matadoren in Rekordzeit eine international zugkräftige Band. 1976 tourten sie noch als unbekannte Vorgruppe der HulIiCi. in Deutschland, zwei Jahre später schon waren sie in den USA eine der umsatzstärksten Live-Attraktionen. Die 20.000er Arenen, die Fleetwood Mac auf der letzten Tournee nur noch mit Mühe füllen konnte, sind für die Little River Band heute ein Klacks.

Der Erfolg ihres harmlosen sunshine-pop ist aber nicht allein mit einem gewieften Management zu erklären. Ihre Mischung aus entstaubtem Country-Rock und „happy go lucky“ Balladen-Pop ist so vaterlandslos und zusammengewürfelt, daß sie als leicht verdaulicher Pop-Kleister universell eingesetzt werden kann. Songs wie „Happy Anniversary“, „Lonesome Loser“ und „It’s A Long Way There“ sind nach einem so narrensicheren Muster gestrickt, daß sie einfach keinem wehtun können. Wer einen Kick aus easy-listening Soft-Rock bekommt (und davon gibt’s offensichtlich eine ganze Menge), der wird von der Little River Band bestens bedient. Ihren mehrstimmigen Gesang macht ihnen so schnell keiner nach, die Lightshow ist geschmackvoll wie kaum eine andere, und was die Perfektion ihres Sets betrifft, so sind sie über jeden Zweifel erhaben. Was will man mehr? Good clean fun für jung und alt.

Allzu glücklich mit ihrem Saubermann-Image sind sie aber selbst nicht. Interviews und Artikel in Musikzeitschriften sind für sie eine Seltenheit – und wenn sie erscheinen, tragen sie nur zu dem Bild bei, daß die LRB genauso blaß und farblos ist wie ihre Musik. „Es stimmt“, sagt David Briggs, „wir sind keine Image-Band. Die wenigsten Zuschauen kennen unsere Gesichter. Es ist a-iein die Musik, auf die es ankommt. Was unsere Einflüsse betrifft, so würde ich sagen, daß wir aus den 60er Jahren das Beste der englischen Musikszene genommen haben, aus den 70ern die Höhepunkte der amerikanischen Musik – und das Ganze haben gären lassen. Das Ergebnis ist die Little River Band“.

Briggs, mit 28 Jahren der Junior der Gruppe, hat zu dieser erfolgreichen Mischung mehr als ein Scherflein beigetragen. Als Gitarrist stilistisch zwischen Roy Buchanan und Jeff Beck Zuhause, ist er noch der einzige, der etwas Druck und Dringlichkeit in die betuliche Runde bringt. Anfang 1976, vor den Aufnahmen zu ihrer zweiten LP DIAMAN-TINA COCKTAIL (einem höllischen australischen Gesöff aus Rum, Sahne und einem Emu-Ei), ersetzte er Gitarrist Rick Formosa und entpuppte sich zudem auch als verläßlicher Hitlieferant.

Den Kredit als Songschreiber muß er sich allerdings mit Shorrock, Birtles und Goble teilen. Ein Arrangement, das sowohl Licht- wie auch Schattenseiten hat. „Ein Grund“, so Shorrock, „warum ich damals in die LRB eingestiegen bin, war die Tatsache, daß es gleich mehrere Songschreiber gab. Und alle ihre Songs fand ich phantastisch“. Der Schein der Harmonie aber trügt: „Wenn du die vier Songschreiber nehmen würdest“, weiß Rhythmus-Gitarrist Beeb Birtles heute, „und um sie herum neue Gruppen bilden würdest – es wären vier grundverschiedene Bands“.

Persönliche Veränderungen oder gar Erdrutsche aber wird es bei der Little River Band wohl kaum mehr geben. Der letzte personelle Wechsel fand statt, als Barry Sullivan den Platz von Bassist George Mc-Ardle übernahm. Aber nicht etwa Ärger oder Differenzen waren der Anlaß, sondern der liebe Gott, der dem guten George McArdle ein religiöses Urerlebnis bescherte. „Er sitzt heute in den Blue Mountains und studiert die Bibel“, grinst David Briggs. „Er glaubte, Rock’n’Roll nicht mehr mit Religion vereinbaren zu können. Wir können es ihm nicht übelnehmen.“

Und sollte der liebe Gott nicht noch einmal zuschlagen, so wird es die Little River Band in dieser Besetzung wohl noch einige Jährehen geben. Zwar haben Birtles und Goble gerade ein eigenes Album abgeliefert, zwar versucht sich Shorrock in Australien schon als Solist, zwar ist Briggs nebenbei ein beschäftigter Produzent – doch solange der Rubel rollt, lassen sich die Risse und unterschiedlichen Interessen mühelos kleben. Die leichte Muse ist erstaunlich zäh!