Lust Auf Lulu


Erst hat Hollywood sie gefeiert: die Yuppies. Diese schnieken, jungen Damen und Herren in teuren Kleidern und Anzügen, denen Kontoauszüge und Karriere wichtiger sind als Spaß, Abenteuer und all die fetzigen Sachen. Jetzt geht ihnen Jonathan Demme (Regisseur des Talking Heads-Films „Stop Making Sense“) an den Kragen. Er nimmt einen New Yorker Parade-Yuppie und hetzt ihm die klassische „femme fatale“ auf den Hals: eine junge, aufgekratzte Frau, die sein wohlgeordnetes Spießer-Leben im Nu restlos auf den Kopf stellt.

Charles Driggs (Jeff Daniels) ahnt nichts Böses, als er mittags in einem Coffee-Shop seinen Lunch verdrückt. Im Gegenteil, dem erfolgreichen Finanzberater geht’s prima. Daß ihm vor ein paar Monaten Frau und Kinder weggelaufen sind, schmerzt zwar noch ein wenig, wird aber mehr als ausgeglichen durch die Tatsache, daß man ihn gerade zum Vizepräsidenten einer gutgehenden Steuerkanzlei ernannt hat. Aus lauter Übermut beschließt er, die Zeche zu prellen.

Keiner hat’s gemerkt, bis auf Lulu Hankel (Melanie Griffith), eine junge Frau mit jeder Menge Reggae-Schmuck und einem unglaublich losen Mundwerk. Lulu stellt Charles zur Rede, macht sich erstmal ein bißchen über ihn lustig, bietet ihm dann aber an, ihn ins Büro zu fahren.

Von diesem Moment an versteht der spießige Zahlen-Jongleur die Welt nicht mehr. Lulu entführt ihn einfach aus der Stadt, beklaut unterwegs einen Schnapsladen, säuft am Steuer Scotch, schleppt Charles in ein billiges Motel, fesselt ihn mit Handschellen ans Bett und beschert ihm die Nummer seines Lebens.

Und gleich geht’s weiter, Richtung Pennsylvania, wo Lulu großgeworden ist. Als sie bei ihrer Mami ankommen, heißt Lulu plötzlich Audrey. Charles soll so tun, als seien sie verheiratet, und aus ihrem schwanen Pagenkopf wird auf einmal eine blonde Kurzhaar-Frisur. Zu allem Überfluß steigt auch noch ein Klassentreffen, bei dem Audrey und Charles erstens einem seiner Firmen-Kollegen (!) und zweitens ihrem Ehemann (!!) über den Weg laufen.

Jetzt hört der Spaß auf: Ray Sinclair (Ray Liotta) hat die letzten Jahre im Knast verbracht und will sich nun holen, was seiner Meinung nach ihm gehört. Sein großstädtischer Nebenbuhler wird erst besoffen gemacht, dann kriegt er die Fresse poliert. Aber da erwacht der wilde Mustang im Bürohengst: Charles hat sich natürlich längst in Lulu/ Audrey verknallt und heftet sich den beiden auf die Fersen. Der blutige Showdown in seinem fast leeren Haus am Rande New Yorks endet tödlich …

Die „Gefährliche Freundin“ werden alle lieben. Schließlich hat die weibliche Hälfte des Publikums irgendwie schon immer davon geträumt, sich so kackfrech und dominant durchs Leben zu schlagen — und die männlichen Zuschauer wollten insgeheim schon immer mal so kackfrech dominiert und aus der Bahn geworfen werden. Charles muß Audrey lieben, weil sie ihn ständig herausfordert; Audrey muß Charles lieben, weil sie tatsächlich den „kleinen Rebellen“ in ihm wecken kann.

Soundtrack und Film-Musik (John Cale und Laune Anderson) tun ein übriges: Lulu hört ständig Reggae und Afro (Big Youth, ÜB 40, Sonny Okossun, Yellowman etc.), außerdem gibt’s Nummern von Big Audio Dynamite, den Troggs, New Order, Fine Young Cannibals, Oingo Boingo, X, Timbuk 3, Motels, Go-Betweens, Arthur Baker und etlichen anderen. Auf dem Klassentreffen spielen die vielgepriesenen Feelies („I’m A Believer“, Bowies „Farne“ plus weitere Party-Hits), und den Song zum Vorspann, „Loco De Amor“, singt niemand geringerer als David Byrne.