Lyle Lovett


Ich halte es mit der „Good Ol‘ Blues Brother Boys Band“: Ich mag beide Arten von Musik. Country und Western. Ich mag Johnny Cash, Hank Williams, Dolly Parton und viele mehr. Und ich mag Lyle Lovett. Lovett ist ganz groß. Er ist dürr, nicht schön, und hat trotzdem „Pretty Woman“ Julia Roberts rumgekriegt. Hut ab! Außerdem macht er ganz anständige Musik. Auch heute, an diesem lauen Sommernächtlein im Griffith Park, spielt die „Texanische Peitsche“ ordentlich auf. Er hat eine klasse Band. Mit klassischem Bläsersatz, mit vier 1-A-Back-Up-Sängern afroamerikanischer Herkunft, fast so gut wie die Four Tops. Und er hat einen begnadeten Cellisten. Eine bucklige Gestalt, mit der man Mitleid haben möchte, bis sie anfängt, den Bogen über die Saiten und auf dem Bauch des Cellos tanzen zu lassen. Da reißt es einen aus der Versenkung, das Tanzbein zuckt, das Auditorium verwandelt sich in einen dampfenden, glühenden Hexenkessel voll ekstatischer, konvulsivischer Körper!!! Na, vielleicht ein bißchen übertrieben, platt allemal, aber ihr wißt, was ich meine. An solchen Stellen, wenn die Bühne voll war, und Lovett alte Hits wie ‚Church‘ servierte, da war der Schreiber versucht, Lyle Lovett als den George Clinton des Country zu bezeichnen. Wenn das nicht totaler Blödsinn wäre und Lyle während der knapp 90 Minuten nicht auch sein zweites Gesicht gezeigt hätte. Das des Grand Signore, des Geschichtenerzählers, der fröhlich daherparliert, von einäugigen Frauen, sensiblen Pinguinen und dergleichen mehr. Damit entlockt er dem Publikum den einen oder anderen herzhaften Lacher. Das ist IHR Lyle, der witzige Lyle, der verschmitzte, scheimenhafte, pfiffige, der Lyle, den sie lieben und der mich versuchte, ihn als ‚Der kleine Prinz‘ des Country zu bezeichnen. Die Feder möge mir aus der Hand springen, sollte ich die Bibel der Naiven je wieder für meine schmutzigen Bilder heranziehen. Eh unverdient, denn Lyle zeigte noch ein drittes Gesicht: das des ordinär guten Musikers, der ohne großes Brimborium Klassiker wie Murry Kellums ‚Long Tall Texan‘ oder sein ‚North Dakota‘ und ‚She’s No Lady‘ vortrug, professionell, aber nie gefühlskalt routiniert. Summasummarum: Vergnügliche Show.