Machtwechsel: Der Wu Tang Clan revolutioniert den amerikanischen HipHop


Eigentlich begann die Geschichte des Wu-Tang Clan, der sich nach einer alten Rebellenorganisation benannte, die sich vor langer Zeit von den Shao Lin abspaltete, ganz unspektakulär. 1993 versammelte der bis dahin unter dem Namen Prince Rakeem aka RZA eher glücklose Rapper, der heute einer der gefragtesten und einflußreichsten Produzenten ist, in den Slums von Staten Island eine Crew aus talentierten Rappern und DJs um sich. Die erste Single ‚Protect Ya Neck‘ wird über Nacht zum Überraschungserfolg. Mehr als 10.000 Einheiten wandern innerhalb kürzester Zeit über die Ladentische und der Wu-Tang Clan um die Rapper Method Man, Raekwon, Inspector Deck, Ol‘ Dirty Bastard, Genius, U God, RZA und Ghostface Killer unterschreibt beim aufstrebenden Label Loud einen Vertrag – mit dem kleinen aber feinen Zusatz, das jeder einzelne Rapper bei anderen Labels Solo-Alben veröffentlichen darf. Zuerst erscheint im Herbst 1993 das erste Album der inzwischen weit über die Grenzen von New York hinaus bekannten Formation: ‚Enter The 36 Chambers‘. Innerhalb weniger Monate erobert der WuTang Clan damit und mit Singles wie ‚C.R.E.A.M.‘ und ‚Can It All So Simple‘ die Rap-Szene der amerikanischen Ostküste. Ihr radikal direkter Rap-Stil, gepaart mit spartanischen Beats, pumpenden Baß-Sounds und vereinzelten Piano-Sprengseln eröffnet ein neues, bis dato unbekanntes HipHop-Universum. Im Sommer 1994 setzt RZA mit seinem anderen Projekt The Gravediggers ein neues Zeichen, und Method Man beamt sich mit seinem Solo-Debüt ‚Tical‘ direkt in die Top Ten der amerikanischen Album-Charts. Mit jeder weiteren Veröffentlichung baut der Clan seine Position nun aus. Ol‘ Dirty Bastard ist es dann, der Anfang 1995 mit seinem formidablen Album ‚Return To The 36 Chambers: The Dirty Version‘, auf dem mit Second Assassin, Prodigal Son und Killer Priest drei unbekannte, neue MC’s aus seiner eigenen Brooklyn Zoo-Posse debütieren, die nächste Phase einleutet. Die Clan-Mitglieder nisten sich in den Charts ein und starten gleichzeitig ihr eigenes Label: Wu-Tang-Records auf dem in kurzer Zeit Singles von Sons Of Men (‚5 Arch Angels‘) und Shabazz The Disciple (‚Death By Penalty‘) erscheinen. Und ohne Unterlaß geht es weiter, kaum gelingt Ol‘ Dirty Bastard mit ‚Shimmy Shimy Ya‘ ein unerwarteter, durchschlagender Charts-Erfolg, folgt mit Raekwons Solo-Debüt ‚Only Built For Cuban Linx‘ der nächste Hammer. Mit tatkräftiger Unterstützung der gesamten Clan-Posse gelingt dem Rapper ein vielschichtiges, packendes Album, das viele Fans für die bis dahin überzeugendste Produktion des umtriebigen Clans halten. Und mit ‚Liquid Swords‘, dem zweiten Solo-Album von Genius (sein noch ohne den Clan entstandenes Debüt ‚Words From The Genius‘ blieb 1991 weitgehend unbemerkt) pocht schon der nächste Shao Lin-Rapper an die Tür der Charts. Ein Ende ist nicht abzusehen. Warum auch, denn das Ziel des Wu-Tang Clans ist noch lange nicht erreicht. Doch die zwei Jahre seiner Regentschaft reichten aus, um HipHop in ein aufregendes Zeitalter zu katapultieren. Der Aufbruch zu neuen Ufern hat gerade erst begonnen, die nächsten Projekte stehen jedoch bereits in den Startlöchern.