„Manchmal hat es wehgetan!“


Seit 1987 wählt der ME jährlich die 50 besten Platten des Jahres. Das macht insgesamt 1150. Dominik Knauf hat sie tatsächlich alle! Ein Hausbeuch bei unserem Superleser.

Dominik ist 28 Jahre alt, Oberleutnant, ansässig auf dem schleswig-holsteinischen Land. Was ihn noch nie davon abgehalten hat, die Redaktion in ihren Büros zu besuchen, während der Festivalsaison bei unseren Autogrammzelten anzustehen und bei Einsätzen des ME-DJ-Teams in der ersten Reihe zu tanzen. So weit, so erfreulich. Doch wir konnten ja nicht ahnen, welches Wahnsinnsprojekt unser „Major Leser“ da ausgeheckt hat: Seit 1987 wählt der ME die 50 Platten des jeweiligen Jahres. Macht bis heute 1150. Und Dominik hat sich die alle gekauft. Alle! 1150 an der Zahl! Für mehr als 10.000 Euro! Wir nehmen das gerne zur Kenntnis, fragen uns jedoch: Warum, lieber Dominik? „Ich verstehe diese Sammlung als Kanon guter Musik“, sagt er. „Ich bin über die Listen in den Jahresrückblicksheften auf den ME gekommen. Das Spezialheft über 1993 war mein erstes. Seither habe ich immer meine Platten des Jahres mit denen des ME verglichen und mich gefreut, wenn Redakteure meiner Meinung waren. Rückwirkend habe ich mir sogar alle Ausgaben ab 1987 besorgt, um die Originalrezensionen mit denen im Jahresrückblick zu vergleichen.“

Im Jahr 2000 war dann THE FRIENDS OF RACHEL WORTH von den Go-Betweens unter den zehn Besten des Jahres. „Aufgrund dieser Empfehlung habe ich mir die gekauft und sie wurde zu einer meiner Platten für die Ewigkeit. Ab dann kam System in mein Vertrauen. Ab dann wollte ich alle ME-Platten des Jahres haben.“ Dieses Vertrauen führte zu einer platzintensiven Sammlung, verteilt in CD-Regalen, Keller und Kisten auf dem elterlichen Dachboden. „Wenn ich in Rente gehe, werde ich mir jeden Tag eine davon anhören“, sagt Dominik.

Irgendwann wird dieser gute Mann also im Ohrenbackensessel wippen und sich Kid Rocks COCKY (2001) antun? Oder Santanas VIVA SANTANA! (1988)? Dominik: „Manchmal hat es schon wehgetan, dafür Geld auszugeben. Aber ich muss mir die ja nicht alle anhören.“ Sind ihm denn ob solch fragwürdiger Inklusionen und Exklusionen von etwa THE STONE ROSES (1989) und Oasis‚ DEFINITELY MAYBE (1994) – oder durch Gastjuroren wie Rudolf „Scorpion“ Schenker nie Zweifel an der Qualität der Listen gekommen? „Vielleicht vor drei Jahren, als Devendra Banharts SMOKEY ROLLS DOWN THUNDER CANYON Platte des Jahres wurde. Wow, das war echt mal ein Album, das ich überhaupt nicht brauche.“ Geholt hat er es sich dennoch.

Und er wird sich noch weitere holen; das Projekt geht im kommenden Januar mit 50 Alben weiter. Wenn schon Kid Rock den Oberleutnant nicht vergraulen kann, was müssten dann wir anstellen, um unseren treuesten Leser zu verlieren? „Das mit dem ME ist wie in einer Ehe. Es gibt gute wie schlechte Zeiten. Aber so lange es ‚Hirnflimmern‘ und den ‚Krieg der Sterne‚ gibt, bleibe ich dabei. Die Jahre schweißen schließlich zusammen“, sagt er – und nach einem hellen Lachen: „Oh Mann, ich hoffe, du stellst mich in dem Artikel nicht als Meganerd dar!“ Niemals. Nur als einen Mann, der freiwillig Simply Reds a nEW FLAME (1989) gekauft hat.