Manic Street Preachers – Know Your Enemy


Geliebter Feind Adieu Stadion, goodbye Mainstream? Die Manics werden wieder richtig manisch und machen ihr "Weißes Album".

Die Konfrontation mit der eigenen Kindheit/Jugend führt manchmal zu überraschenden Wendungen und Einsichten. Vor einem Jahr verbrachte James Dean Bradfield einige Zeit im Haus seiner Eltern, wühlte in alten Schallplatten und fand Schätze, die er längst vergessen hatte.“(l’m) Stranded“ etwa, den epochalen Wutausbruch der australischen Saints von 1977. Plötzlich wurde James klar, dass das letzte Manics-AlbumTHIS IS MY TRUTH.TEU ME YOURS viel zu durchdacht und elaboriert klingt. Er wollte endlich wieder Krach machen. Etwas erleben! Abenteuer! Das Resultat als eröffnende Fanfare: „Found That Soul“ lärmt und bebt wie einst „Faster“. „Intravenous Agnostic“

sticht in dieselbe Ader, wirkt auf den Hörer wie ein Frühlingstritt in den von allzu vielen Radiohead-Jammer-Klonen eingeschläferten Winterhintern und markiert die Wiedergeburt des Texters Nicky Wire: keine walisisch-nationale Bewusstwerdungs-Lyrik mehr, sondern endlich wieder die Giftspritze mit dem zynischen Katzengrinsen – seine Erklärung für den Albumtitel: „Der Feind war das, was aus uns geworden war.“ Initialzündung Nummer zwei hatte einen traurigeren Anlass: Im Sommer 2000 starb Bradfields Mutter; ihr Sohn verbrachte ihre letzten Tage am Krankenbett und versorgte sie mit „Ocean Spray“-Cranberry-Saft, ihrer letzten Hoffnung auf Genesung und Zukunft. Das Resultat ist James‘ erster Textbeitrag bei den Manics und nicht zuletzt dank Sean Moores Trompetensolo einer der anrührendsten und schönsten Songs, den diese Band je veröffentlicht hat. Einmal bröckelig geworden, fielen die verbliebenen Band-Gesetze während der Aufnahmesessions restlos zusammen. Der Entschluss, diesmal nichts vorzuproduzieren,führte im sonnigen Spanien zu einer kreativ-experimentellen Explosion; am Ende waren 27 Songs auf Band, von denen 16 (plus „hidden track“: eine Coverversion der Uralt-Manics-Favoriten McCarthy) KNOW YOUR ENEMY zu einem so vielseitigen und überraschenden Erlebnis machen, dass man sich an den situationistischen Rundschlag-Geist des „Weißen Albums“ der Beatles erinnert fühlt. Die hymnische Ballade „Let Robeson Sing“feiert (und sampelt) den farbigen US-Schauspieler/Sänger (als Kommunist in den 5oern Opfer des McCarthy-Terrors), den US-kubanischen Streit um „Baby Elian“ kommentieren Textzeilen wie „America, the devil’s playground“, und seine Erfahrungen mit der spanischen „Big Brother“-Variante „Ibiza Uncovered“ fasst Nick in dem hypnotisch wiederholten Fazit „braindead motherfuckers“zusammen -ohne das „Miss Europa Disco Dancer“ tatsächlich ein lupenreiner Euro-Disco-Schmierer wäre. Es gibt Schwachstellen, wenn man sich zwingt, welche zu finden („The Convalescent“ mäandert ein wenig ziellos durch die Gegend), aber es gibt vor allem Höhepunkte – und staunenswerte Wagnisse: Nicky Wire singt seinen (selbst komponierten) „Wattsville Blues“ (über sein Heimatdorf) wie der kleine böse Bruder von Mark E. Smith (The Fall); aus „So Why So Sad“ winken Beach Boys und glitzernde Mitt-7oer mit Zaunpfählen, „My Guernica“ scheppert aus den Boxen wie ein früher Ausbruch von The Jesus & Mary Chain. Es gibt keine Geige auf dem Album (Arbeitstitel: „No Strings“), dafür mehrere Produzenten:“Freedom Of Speech Won’t Feed My Children“ trägt nicht nur die Handschrift von David Holmes, sondern auch die von Kevin Shields (My Bloody Valentine, Primal Scream), der die Gitarre beisteuerte. Holmes pro

DISCOGRAPHIE

Generation Terrorist; 1992 Gold Against The Soul 1993 The HolyBIble 1994 Everythlng Must Go 1996 This )i My Truth.Tell Me Yours 1998 Know Your Enemy 2001 (alle Sony Music) duzierte vierTracks, Mike Hedges zwei, den Rest besorgte der alte Band-Kumpel Dave Eringa, bei dem sich die Manics auch mal einen First Take mit glorreich falschem Schluss erlauben durften. Das letzte Wort hat Diva Wire: „Ich weiß, jede Band behauptet, ihr neues Album sei ihr bestes. Ich glaube das eigentlich nicht. Ich denke, es ist eines der besten Alben aller Zeiten.“