Mardi Gras in der Diaspora: The New Orleans Revue in Deutschland


BERLIN. Die Metropole am Mississippi hat es immer verstanden, französische, spanische, englische, afrikanische und indianische Kulturen miteinander zu verschmelzen. Das Leben im multi-kulturellen Schmelztiegel scheint sogar mächtig Spaß zu machen, warum sonst reist alle Welt nach“.Big Easy“ — und das nicht nur zum Mardi Gras. So gesehen, rennt die New Orleans Revue, eine aus allen Rassen zusammengewürfelte Musiker-Karawane, offene Türen ein. Im ausverkauften Tempodrom jedenfalls herrscht keine Sekunde Zweifel, was die Uhr geschlagen hat: Partytime in der deutschen Karneval-Diaspora!

Als erster schlurft Dr. John auf die Bühne, hockt sich ans Klavier und schnarrt den Carnival-Evergreen „Iko Iko“ ins Mikro. Ein stimmungsvoller Auftakt, goldrichtig für Johnny Adams, den Zweiten, adrett in Schlips und Kragen. Mit gospel-geschultem Falsett singt „The Tan Canary“, der braune Kanarienvogel, den Blues und animiert das Publikum zum Singalong. Stimmung und Hüften sind gelockert für Dr. John, der noch einmal zurückkehrt, um erneut in die Hit-Kiste zu greifen. Die Songs des Medizinmannes sind mittlerweile musikhistorische Medleys — ohne Scheuklappen integriert er etwa eine schrille Dixie-Hymne („Down By The Riverside“) in einen Swamp-Blues („Big Chief). Die Begleitung der Solisten hat eine neunköpfige Band übernommen, die jedem Stil — sei es Jazz, Funk oder Cajun — eine Synkopen-Frischzellenkur verpaßt.

Dann stakst Willy DeVille in einem bläulich schimmernden Anzug über die Bretter und gibt einige seiner schwülstigsten Schnulzen zum Besten. Keiner hat mehr Schmalz in Kehle und Haartolle als der hagere Willy, der heute jedoch ein wenig blaß und müde wirkt. Gleiches läßt sich von Eddie Bo nicht sagen. Der weißbärtige Oldtimer hämmert in die Tasten, daß die Bude wakkelt. Von zuckendem Twist über getragenen Soul zu stampfendem Funk reicht sein Repertoire. Breit grinsend übergibt Bo die Stafette an Zacharey Richard, den Akkordeonspieler und „bad boy of Zydeco“. „Ich bin versumpft“, radebricht der Mann aus Louisiana und bittet Geiger und Waschbrett-Spieler zum Tänzchen. Sein Cajun-Rock ’n‘ Roll ist derart heiß, daß man meint, jede Sekunde könnten Stichflammen aus seiner Quetschkommode schlagen. Mit Abstand der musikalische Höhepunkt des Abends.

Es folgt sein visueller Höhepunkt: Drei „schwarze Indianer“ der Wild Magnolias, des berühmten Mardi Gras-Stammes, stimmen in grell-bunten Federkostümen ihre rituellen Gesänge an, begleitet von mächtigen Trommeln, dem Herzschlag des Mardi Gras. Das unvermeidliche „Oh, When The Saints“ schließlich beendet die New Orleans Revue, ein Stück mobiler Louisiana-Lebensfreude, getreu dem Cajun-Motto: Bon Ton Roulet — Let The Good Times Roll!