Marilyn Manson: Die Vernissage des Antichristen


Auch als Maler ist Brian Warner am liebsten Marilyn Manson.

Marilyn Manson wirkt auf Bildschirm und Bühne, als wäre er durch einen Spalt im Tor zur Hölle geschlüpft, um in dieser Welt sein Unwesen zu treiben. Ein dämonischer Zombie, zusammengeflickt aus Versatzstücken der Popgeschichte, die ja immer auch eine Geschichte der Provokationen war. Umso kurioser der Effekt, wenn der Leibhaftige leibhaftig den Raum betritt – die Galerie „40 Seconds“

im achten Stock eines Hochhauses am Potsdamer Platz, Berlin. Hier hängen 30 Skizzen und Gemälde von… da fangen die Probleme an. Denn was sehen wir? Fenster ins Fegefeuer, verstörende Visionen, groteske Geschmacklosigkeiten (wie „Trismegistus“, das einen dreiköpfigen blutenden Jesus mit Dornenkrone zeigt)? Oder ist die Vernissage nur eine PR-Aktion des Ex-Fotojournalisten Brian Warner (34), der, als Kinderschreck verkleidet, das selbstgemalte Artwork seines Best-Of-Albums ausstellt? Brian Warner gibt selbstverständlich keine Antwort auf diese Frage, er ist in seinem Element: in der Rolle des Marilyn Manson. An der Seite seiner bestrapsten Lebensgefährtin Dita von Teese schleicht er von Bild zu Bild, kommentiert mit verhaltener Stimme in Mikrophone, was er ausdrücken wollte: seine Gefühle, die er in Musik nicht verarbeiten könne. Seine Bewunderung für die deutschen Maler der 20er Jahre. Seine Freundschaft zu Michael Moore. Seine Liebe zu Dita, die er im Herbst zu ehelichen gedenke – in Berlin, versteht sich, der Stadt, die ihm so viel gegeben habe. Da grinsen die hauptstädtischen Reporter in ihre Blöcke, da haben sie ihre Nachricht.

Wer will, kann sich vor großflächigen Darstellungen verstümmelter Kinder und apokalyptischen Selbstporträts tatsächlich an Otto Dix erinnert fühlen. Oder über die Preise grübeln (zwischen 3.500 und 50.000 Dollar). Oder darüber, dass sich das zentrale Thema der Kunstfigur Manson – die Provokation auch in den Bildern spiegelt: Hitler! mit Penis! und Frauenkörper! Hakenkreuze in Berlin!

Nein, das alles ist zu berechnend und dilettantisch, um wirklich böse oder bizarr zu sein. Wenn der Künstler ernsthaft behauptet, dunkle Träume hätten ihn zu dunklen Bildern inspiriert, kann er unmöglich eine „geistige Verwandschaft“ mit den Expressionisten empfinden – die haben sich an den realen Verstümmelungen im Ersten Weltkrieg orientiert. Aber ein Künstler muss kein Kunsthistoriker sein, und handwerklich ist das Gebotene ganz anständig. Da war ein bemühter Laie am Werk, der die Rammstein/Scorpions/Marilyn-Manson-Covers von Gottfried Helnwein im Kopf hatte. Für die Kunst der Malerei dürfen wir also Marilyn Manson anerkennend auf die Schulter klopfen. Vor Brian Warner aber knien wir in Demut nieder- für die Kunst der kalkulierten PR-Provokation.

www.marilynmansonartworkonline.com