Mega-Mixer


Die Wahl des richtigen Produzenten ist für den Erfolg einer Pop-Produktion oft genug die halbe Miete. ME/Sounds befragte die Götter im Regieraum nach ihren Arbeitsmethoden und er mittelte den King an den Knöpfen und Reglern

JIMMY JAM (Janet Jackson u.a.)

..Das Hauptanliegen eines jeden Produzenten muß es sein, das Maximum aus einem Musiker herauszukitzeln. Das ist immer dann eine verhältnismäßig einfache Angelegenheit, wenn man nur darauf achten muß, daß er sein Ziel punktgenau erreicht. Weit schwieriger ist. dem Musiker den Rücken zu stärken und ihn dazu zu bewegen, sich auf unbekanntes Terrain zu wagen.

Unser Job kann es nicht sein, den Musikern etwas unterzuschieben, was sie nicht sind; wir müssen sie dahin bringen. das zu sagen, was sie wollen. Schließlich sind sie für ihre Karriere verantwortlich, während die Produzenten .schon zwangsläufig von einem Projekt zum nächsten springen.

Quincy Jones hat das gesamte Lehrbuch des Produzierens von Grund auf neu formuliert. In punkio Technik gilt er zurecht als Neuerer; zudem ist er ein brillanter Musiker.“

DANIEL LANOIS (U2, Peter Gabriel u.a.)

„Jeder Musiker hat seine ganz persönlichen Bedürfnisse. Die Persönlichkeit des Musikers, das. was er durch seine Musik ausdrücken möchte, sollte bei der Produktion daher nie außer acht gelassen werden. Da gibt es Charaktere, die permanent darauf aus sind, ihre eieenen Grenzen auszuloten und musikalisches Neuland zu betreten. So war ich z.B. besonders angetan von der dichten, extrem strukturierten Atmosphäre, die Brian Eno und ich mit unserer Produktion des U2-A!bums THE UNFORGETTABLE FIRE erreicht haben.

So gesehen fällt meine Wahl nicht von ungefähr auf Brian Eno. speziell auf seine Produktion der Talking Head-LP RE-MAIN IN LIGHT.

LENNY KAYE (Suzanne vegau.a.)

..Der Produzent sollte genug technische Kenntnisse haben, ohne sich in Details zu verstricken; er sollte die Erwartungen der Musikindustrie kennen; er sollte für den Zeitraum einer Produktion auf Schlaf verzichten können.

Was Vorbilder angeht, respektiere ich vor allem die unorthodoxe Arbeitsweise von Tony Visconti. Ich schätze die Vision von Phil Spector und die Ohrwurm-Qualitäten von Ron Nevison. Mike Chapman und Jimmy Iovine.“

FRANK FARIAN (Milli Vanilliu.a.)

..Mich reizt primär die perfekte Koordination von Musikern und Songs: Man wähle einen guten Song, dazu passend den besten Musiker und hole aus beiden das Optimum heraus. Natürlich muß auch der Sound stimmen. Der herausragende Produzent der letzten 20 Jahre in Europa ist für mich Trevor Hom, weil er einen Sound kreiert hat. den man bis dato noch nie gehört hatte. Mit Yes ist ihm die ultimative Produktion gelungen.

In den USA war und ist es Quincy Jones, der die gesamte dortige Musikszene geprägt hat.“

HUGH PADGHAM (Phil Collins, Sting)

..Ich bemuhe mich im Studio um eine möglichst entspannte Atmosphäre und einen schlichten Sound. Der rein technische Aspekt ist zweitrangig; was mich vornehmlich interessiert, ist der Versuch, den Song in seiner Gesamtheit zu formen und mir frühzeitig ein Bild davon zu machen, wie er am Ende klingen soll.

Arif Mardin ist mein Mann. Er hat im Zeitraum von nunmehr 30 Jahren wunderbare Alben von Aretha Franklin bis hin zu Chaka Khan produziert und sitzt immer noch fest im Sattel.“

MICHAEL CRETU (Sandra, Eniqma)

..Bis vor zwei Jahren war Trevor Hörn mein Kandidat. Ende der 7üer Jahre wußte ich. daß er so eine Art Phil Spector der 80er Jahre werden würde. Er hat denn auch die innovativsten Ideen auf Platten gebracht. Vor allem sein Yes-Album war ein Volltreffer. Vielleicht ist er ja inzwischen wieder besser drauf, nachdem er sich von seiner Frau getrennt hat. Dieser Drachen war eine absolute Pfennigfuchserin, die ihn in die aberwitzigsten Prozesse gegen seine Bands getrieben hat.“

TONY VISCONTI (David Bowieu.a.)

..Meine persönliche Devise lautet: Nicht mein Name, sondern der des Musikers steht groß und deutlich auf der Piattenhülle. Einige meiner Kollegen sind da offensichtlich anderer Ansicht und meinen, sie seien der Nabel der Welt — und geraten prompt in eine Sackgasse.

Das Produzieren von Popmusik ist einerseits ein Beitrag zur populären Kultur, andererseits Teil eines großen Geschäftes. Wobei sich Innovation und Kommerz überhaupt nicht widersprechen, weil fast alle großen Hits aus dem Rahmen des jeweiligen Umfelds fallen. Mein Favorit ist Chris Thomas, ein großartiger All-Rounder unter den Produzenten, der den Musikern grundsätzlich mit Respekt begegnet.“

MACK (ELO, Queen u.a.)

..Ich habe in meiner Schulzeit Musik gemacht. Irgendwann habe ich als Mädchen-fur-alles. sprich Ton-Techniker, angefangen, bekam dann Angebote als Ton-Meister und bin, weil ich nie meinen Mund halten konnte, auf dem Sessel des Produzenten gelandet.

Ich bin Verfechter eines diplomatischen Arbeitsstils: Was bringt es, wenn ich den Musiker zu etwas zwinge, was er nicht will. Wenn du aber jemanden zu etwas bewegen kannst, ohne daß er es merkt, ist er gleich glücklicher.

Wenn ich einen Kollegen schätze, so ist das Robert »Murr* Lange (Def Leppard, Bryan Adams). Doch diese Wahl ist nicht frei von Widersprüchen: Denn gerade Lange verficht das genaue Gegenteil meiner Arbeitsphilosophie. Jede Platte ist vorrangig sein Produkt und danach erst das der jeweiligen Band. Andererseits macht er Sachen, die ich nicht kann, und dafür bewundere ich ihn.“

HAROLD FALTERMEYER (Pet Shop Boys u.a.)

„Das entscheidende Kriterium schlechthin, mich ins Studio zu begeben und eine Platte zu produzieren, ist: Ich muß von einer Idee hundertprozentig überzeugt sein, ich muß sicher sein, daß ich damit kommerziellen Erfolg habe. Zweitens muß ich hundertprozentig davon überzeugt sein, daß es mich auch künstlerisch befriedigt. Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, fange ich mit der Arbeit an.

iytir haben vor allem meine Erfahrungen in Amerika wahnsinnig geholfen, heute so perfekt produzieren zu können, wie man das dort von jeher gemacht hat. Als Einzelkämpfer stehe ich nun mal auf Technik, ich liebe sie, weil es für mich letztlich erheblich produktiver ist, mit einem großen Synthesizer zu arbeiten, anstatt jedes Mal eine komplette Band ins Studio zu holen.

Mein Lieblingsproduzent? Da gibt’s eigentlich nur einen für mich, der vielseitig ist, sich in praktisch jedem Genre auskennt und mit Künstlern umgehen kann, egal ob sie nun aus dem Pop, Jazz oder Musical kommen — Quincy Jones.“

MICHAEL WAGENER (Accept, Extreme u.a.)

„Ich habe acht Jahre lang mit Udo Dirkschneider, dem späteren Sänger von Accept, in einer Amateur-Band in Solingen gespielt — als Gitarrist. Später habe ich mich als Ton-Ingenieur versucht, damals in meinem eigenen kleinen „Tennessee“-Studio in Hamburg, bevor ich den Sprung nach Amerika wagte. Zu der Zeit standen Produzenten wie Roy Thomas Baker (Queen) und Robert JAuW Lange ganz oben auf meiner Liste; letzter ist für mich auch heute noch der Top-Produzent.

Im Unterschied zu seinem autoritären, perfektionistischen Stil komme ich aus der entgegengesetzten Ecke und lasse den Musikern erst einmal so viel Freiheit wie möglich. Ich bin eher ein Teil der Band, kristallisiere die Ideen, die während der Aufnahmen durchs Studio geistern, und versuche, sie solange zu filtern, bis sie konkret und hörbar werden. Die Qualität der Songs ist selbstverständlich das A und 0 jeder Produktion, ebenso die Einstellung der Musiker zu ihrer Musik und nicht zuletzt die Energien, die dabei freigesetzt werden müssen. Alles andere ist sekundär.“