ME/Sounds ging mit Rudolf Scharping in Köln auf die Piste


Frustrierend: Du arbeitest drei Monate, und dann wird die Kohle gestrichen!“ Rapper Speiche vom Berliner Projekt ‚Hip-Hop Mobil‘ nutzt die einmalige Chance und läßt Dampf ab. Denn im Backstagebereich der Kölner Live Music Hall ist hoher Besuch aufgetaucht: Rudolf Scharping samt persönlicher Referentin Heike Raab und zwei Bodyguards. Speiche berichtet dem SPD-Fraktionschef von den Widrigkeiten im Leben eines HipHop-Aktivisten. MC Rudolf hört aufmerksam zu, diskutiert und verspricht zu helfen.

Live Music Hall-Betreiber und Scharping-Freund Micky Pick schlug dem ehemaligen Kanzler-Kandidaten anläßlich der PopKomm einen Pistengang mit ME/Sounds vor. Scharping sagte zu und fuhr zum Rhein, um den Kontakt zur ravenden und rockenden Basis zu suchen. Und die hockt auf Ernst Hofacker dem Steinboden vor der Halle, Scharping plaudert mit den Fans (Kommentar: „Is‘ doch cool, daß der mit den Leuten spricht.“). Der ungewöhnliche Trip des Genossen in die Jugendkultur hat nicht nur Image-Gründe. Scharping, in Jeans und aufgekrempeltem Hemd, erklärt: „Ich will wissen, was los ist. Es ist für mich sehr wichtig, in meinem Bonner Büro nicht den Kontakt nach draußen zu verlieren.“

Weiter geht’s zum ‚Bizarre‘-Festival. Backstage-Pässe und dergleichen sind überflüssig – der SPD-Mann passiert problemlos sämtliche Kontrollen. Hinter dem Levi’s-V.I.P.Gebäude wird die gepanzerte Limousine geparkt. Von der 200 Meter entfernten Bühne wehen Musikfetzen der gerade auftretenden New Model Army durch die Dunkelheit herüber. Scharping betritt mit seinem Gefolge den V.I.P.-Bereich. Und dort entdeckt er Chef-Hose Campino. Die beiden Herren sind sich vorher nie begegnet. Rockin‘ Rudolf, dessen älteste Tochter Susanne bekennende Hosen-Bewunderin ist, will den blonden Punk-Hero kennenlernen. Campino blickt auf, sieht, was auf ihn zukommt und will sich unauffällig verdrücken. Zu spät. Säuerlich grinsend gibt er dem Sozialdemokraten die Hand und läßt sich auf eine halbe Minute Smalltalk ein. Höfliche Verabschiedung. Abgang.

Mit ‚Bizarre‘-Veranstalter Peter Rieger unternimmt der Politiker einen Spaziergang zur Buhne, wo er nachdenklich den Auftritt von Nick Cave und seinen Bad Seeds beobachtet. Nach zwei Songs bewegt sich die kleine Gruppe zurück in den V.I.P.-Bereich, wo man sich im Freien auf Holzbänken niederläßt. Heike hat inzwischen Besuch von ihrem Lebensgefährten Frank („Bei diesem Job muß man Privat- und Berufsleben verbinden, so oft es eben geht.“). Man ist (fast) unter sich. Der Ton ist lockerer geworden, den Politiker hat Scharping im Laufe des Abends hinter sich gelassen. Launig erzählt er von einem zweieinhalbtägigen Aufenthalt im italienischen Siena. Gegen halb zwölf beendet Nick Cave seinen Auftritt, Zeit für Scharping, den Weg ins heimatliche Lahnstein anzutreten. Seine Erkenntnis: „Wer als Politiker die Jugend, ihre Sprache und ihre Probleme nicht kennt, der kennt die Zukunft dieses Landes nicht.“ Wohl wahr.