Mit den Sisters of Mercy auf Loc – Die Wüste bebt!


Wer im Massenangebot der Videoclips bestehen will, bucht besser gleich einen Trip in die Exotik. Die Sisters Of Mercy hatten sich für ihre Single „Dominion“ eine verlassene Wüstenstadt in Jordanien ausgesucht. ME/Sounds begleitete die Karawane.

Es ist sechs Uhr abends an Bord von Flug Nummer 114 der Royal Jordanian Airlines. Ein arabischer Geschäftsmann kauert auf dem Gang, im Blick die nackte Panik. Nicht aus Angst vor einem Flugzeugabstoß – nein, der zitternde Herr ist gerade der leicht dämonisch wirkenden Sisters Of Mercy-Bassistin Patricia Morrison begegnet.

„Als ich ein kleiner Junge war, hat mich meine Mutter immer vor einer Frau in Schwarz gewarnt“, versucht er stammelnd zu erklären, warum er da wie angewurzelt vor Patricia hockt.

„Das bin ich“, grinst sie böse. „Klasse, die werd ich alle zu Tode erschrecken.“

Und das ist keine leere Drohung, schließlich machen die Sisters den weiten Weg bis ins Königreich Jordanien, um einer zusammengewürfelten Beduinen-Schar, vorbeikommenden Touristen und einem Hubschrauber-Kampfpiloten zu zeigen, wie man in der Wüste ein Pop-Video dreht.

Für „nur“ 150.000 DM (also weniger als das letzte, in einem Londoner Studio gefilmte Sisters-Video) soll Tausende von Kilometern entfernt ein Clip gedreht werden, von dem zumindest die Plattenfirma tönt, das werde „das tollste Video aller Zeiten“. Damit das hinhaut, hat die zuständige Filmfirma viereinhalb Monate darauf hingearbeitet, 15 Leute plus Equipment unter einen Hut zu bekommen und für zwei Tage in die Stadt Petra zu schicken, mitten in die jordanische Wüste.

Gerüchten zufolge handelt es sich bei Petra und seinen aus dem rosa Wüsten-Stein gehauenen Gebäuden um einen sagenumwobenen Ort, fast so etwas wie ein „Weltwunder“. Nur liegt Jordanien dummerweise im Nahen Osten, wo bekanntlich überall um die Ecke ein Krieg lauert. Da müsse man sich allerdings überhaupt keine Sorgen machen, hatte die Plattenfirma versichert – der nächste Krieg sei mindestens eine Panzer-Tagesreise weit entfernt.

Darüber scheint sich auch niemand Gedanken zu machen – unser Duo hat ganz andere Sorgen. „Je näher wir dahin kommen, desto merkwürdiger wird mir“, erklärt Patricia im Flugzeug. „Wie die da unten ihre Frauen behandeln – igitt!“

Die andere Hälfte der Sisters, Fürst Eldritch, hat offenbar mehr Schiß vor den Vierbeinern. „Andrew hat Panik vor Pferden, und man muß reiten, um dahin zu kommen, wo wir drehen. Ich kann gar nicht erwarten, ihn runterfallen zu sehen.“

Und noch ein kleines Problem: Nachdem sie das Video zur letzten Single „This Corrosion“ in strömendem Regen gedreht haben, hat Andrew Eldritch beschlossen, daß es kein wirksameres Gegengift gebe, als sich diesmal ein paar Tage in brütender Wüsten-Hitze zu sonnen. Dummerweise hat es überm Jordan einen Wettersturz gegeben: Es schneit.

Am ersten Drehtag ist auch die lezte Schneeflocke weggetaut. Das Filmteam und die Band stehen zur absolut Rock’n’Roll-unmäßigen Uhrzeit von halb sechs morgens triefäugig in der Gegend herum und warten auf den Sonnenaufgang.

Zwei Tage lang werden die Sisters Leib und Leben riskieren, werden in Hubschrauber klettern, Felsen rauf und runter rennen, auf Pferde und Kamele steigen – und mit all diesem Aufwand wieder einmal neue Maßstäbe für ein Popvideo setzen.