Müssen Comics komisch sein?


"Heavy Metal": phänomenale Zeichnungen "Popeye": als Spielfilm mißlungen "Hiroshima": Japanische Antikriegs-Trilogie Einmal Comic total und zweimal Comic verkehrt: drei Beispiele unterschiedlichster Machart, Bilderstrips zum Leben zu erwecken. Unter der Regie von Gerald Potterton entstand der atemberaubend gestaltete Film "Heavy Metal" mit erstklassigen Bildern, Witz und Niveau. Exakt das Gegenteil erreichte Robert Altman mit dem zweifelhaften Unternehmen, den spinatfressenden Dummkopf Popeye zu einem Wesen aus Fleisch und Blut zu machen. Aus den Bildergeschichten des Hiroshima-Überlebenden Keiji Nakazavja schließlich entstand der japanische Spielfilm "Hiroshima - Hadashi no Gen".

Was einst an Vorpromotion für die ärgerliche Zeichentrick-Produktion „Der Herr der Ringe“ veranstaltet wurde, halt jetzt ein Film, für den vorher vergleichsweise wenig getrommelt wurde: „Heavy Metal“. Wenn man schon unbedingt von sensationeller Gestaltung des Comic-Genres für die Leinwand sprechen will, so wäre es in diesem Feil zumindest nicht schamlos übertrieben. Etwa 70 Zeichner arbeiten in Europa und in den Staaten an acht Episoden unterschiedlichsten Charakters. Pate stand das Comic-Magazin „Heavy Metal“, unter Kennern geschätzt wegen seiner originellen SF-, erotischen Fantasy- und erstklassigen Horror-Strips.

Eine gelungene Mischung aus bestechender Trivialität, Detailkomik, stilvollem Gruseln und phantastischen Fluchten vermittelt auch der Film. Die Drehbuchautoren Glen Goldberg und Len Blum, die sich an Vorlagen von Richard Corben, Angus McKie, Dan O’Bannon, Thomas Warkentin und Bernie Wrightson orientierten, lassen den geheimnisvollen grünen Leuchtball als Symbol des Bösen von Episode zu Episode rollen. Des Bösen? Meistens schon, aber im Falle des mickrigen, bebrillten Dan dürfte sich mit ihr der Traum eines jeden Stubenhockers erfüllt haben: In einer anderen Welt nämlich lebt er als muskulöses Kraftmonster Den weiter, erotische Abenteuer mit den schönsten Frauen inbegriffen.

Hochkarätigen Horror dagegen vermittelt dieses grüne Ding aus dem Ungewissen in „B 17“, wo es die komplette Besatzung eines Army-Lufttransporters in eine Horde erschrekkender Zombies verwandelt. Gestaltet wurde dieses grünstichige Grauen mittels zerfledderter Untoter weitgehend von Mike Ploog, der früher für Marvel Comics („Frankenstein“ und „Conan“) arbeitete.

Zum Finale ein Fantasy-Epos mit allen bewährten Zutaten: „Taarna“. Für die Abenteuer dieser genußvoll sexistisch ausstaffierten Heroine setzte sich das Team daran, die wichtigsten Bewegungsabläufe vorher abzufilmen und gab auch nicht eher Ruhe, bis ein Model gefunden war, das außer dem Gardemaß von 180 cm auch noch möglichst viele andere äußere Vorzüge ihres Phantasiegeschöpfes vorzuweisen hatte. Wie in „B 17″ wurde übrigens auch bei .Taarna“ mit beweglichen dreidimensionalen Kulissen gearbeitet.

„Heavy Metal“ lebt von der künstlerischen Akribie begnadeter Zeichner. Cornie Cole zum Beispiel (u.a Schöpfer der Jeans-Werbung) fertigte für die „Neverwhere“-Visionen (um die treibende Kraft des Bösen) ungefähr 2700 Bilder voll von düsterer surrealistischer Stimmung an – mit dem Kugelschreiber!

„Heavy Metal“ ist ein Ereignis, was man sich möglichst nicht entgehen lassen sollte. Die absolut gelungene musikalische Kulisse reicht von Black Sabbath über Stevie Nicks bis hin zu Devo. Der Soundtrack wurde bereits vor mehreren Wochen von CBS veröffentlicht. Und wer meint, alte Bekannte zu entdecken, der täuscht sich nicht. Die zwei vollgedröhnten Weltraumfreaks in „So Beautiful And So Dangerous“ haben in der Tat zwei Vorbilder namens Cheech & Chong.

Comic rückwärts könnte man Robert Altmans Versuch bezeichnen, dem plumpen Popeye und seiner Schreckschraube Olivia Öl menschliche Gestalt zu verleihen. Robin Williams und Shelley Du vale tapsen in einer Mischung zwischen Kindermusical und TV-Film durch ihr schiefergraues Haienkaff. Das Magazin „Tip“ wählte dieses Wechselbad zwischen schriller Nervtöterei und gähnender Langeweile zum schlechtesten Film des Jahres 1981. Welchen Anteil die deutsche Synchronisation noch an diesem Fehlunternehmen hatte, kann nur erahnt werden. Die ins Deutsche übertragenen Songs sind jedenfalls noch weitaus schlimmer als die im „Muppet Movie“. Und wenn Popeye sein lahmes „Ich bin, was ich bin“ anstimmt, müssen tatsächlich erst einige Groschen fallen, bis man draufkommt, daß dem witzigen „I Am What I Am“ von Kid Creole ja dieselben Noten zugrunde liegen …

Ein anderes Wagnis, eine Bildergeschichte in einen Spielfilm umzusetzen, stellt Yamada Tengos Antikriegsfilm „Hiroshima – Hadashi no Gen“ dar, auf völlig anderer Ebene selbstverständlich. Keiji Nakazawa, ein Überlebender der Hiroshima-Katastrophe, setzte seine grauenvollen Erlebnisse in einen Bilderstrip um. Er schildert das grausam verbissene politische Klima in Japan während des Krieges, bestimmt von krankhaftem Patriotismus und kritikloser Verehrung für den Kaiser. In dieser Atmosphäre werden Pazifisten von Nachbarn denunziert, bedroht und boykottiert, bis es zur Stunde Null kommt. Das Buch, „Barfuß durch Hiroshima“, erscheint im Februar in einer deutschen Übersetzung beim Rowohlt Verlag. Der bereits 1977 produzierte Film wird im Laufe dieses Jahres möglicherweise in einigen Programmkinos zu sehen sein. Das Hamburger „Abaton“ testete anhand von drei Previews mögliches Interesse mit diesem ersten Teil dieser Antikriegs-Triologie.

Da die japanischen Filme im allgemeinen schon dafür bekannt sind, hart an den Tränendrüsen zu operieren, versteht sich natürlich, daß gerade das Hiroshima-Thema mit den härtesten Bandagen des human touch präsentiert wird: Eine japanische Familie steht im Mittelpunkt. Der Vater ein isolierter, von den Behörden geschundener Kriegsgegner. Die zwei jüngsten Söhne zwei der bezauberndsten Frechdachse. Einer von ihnen überlebt die Explosion der Atombombe (in Anlehnung an das Schicksal Keiji Nakazawas) hinter einer Schulhofmauer und muß zusammen mit der Mutter ansehen, wie der Vater und die Geschwister im Haus eingekeilt verbrennen. Soweit Teil eins.

An dieser teilweise als zu gefühlsduselig gewerteten Verfilmung hat sich bereits dieselbe Diskussion entzündet wie einst am Thema „Holocaust“; nämlich: Soap-Opera contra Dokumentation. Wer ist jetzt besser agitiert: diejenigen, die bei einem Antikriegsfüm gähnen, oder diejenigen, die dabei heulen? Schwierige Frage. In Japan gilt diese Filmproduktion im übrigen als ungewöhnlich kritisch.