Musiker-Ehen: Bis dass der Pop euch scheidet


Nicht nur der Rock 'n' Roll wird älter, auch früher verpönte Rollenspiele sind inzwischen längst salonfähig. Waren für den Pop-Macho von einst Frauen nicht mehr als Abfallprodukte des Ruhms, so sucht er heute den emanzipierten Partner für Bett und Bühne. Gehört dem musikalischen Familienbetrieb die Zukunft? Oder geht die Kreativität im harmonischen Hafen der Ehe baden?

In „Wedding Bells“, einem alten englischen Volkslied, heißt es im Refrain: „Weddings bells are breaking up that old gang of mine“. Die Beatles sangen dieses Lied zuweilen, wenn sie nach ihren Gigs im Hamburger Star-Club die verbliebenen Alkoholbestände vernichteten. „Das klang wie ein Soldatenlied“, erinnert sich Paul McCartney, „und unsere Armee waren die Bealtes. Wir wußten immer, daß, Wedding Beils‘ eines Tages Wahrheit werden und der Gruppe den Todesstoß geben würde“.

Im Falle der Beatles wird das spätestens dann deutlich, wenn man Yoko in dem Film „Let It Be“ auf den Verstärkern sitzen sieht – ein klarer Einbruch in geheiligtes männliches Territorium. Von da an ging es für die „Old Gang“ eindeutig den Bach runter: Aus „The Ballad Of John And Yoko“ wurde ein endloser Song-Zyklus, die am ausführlichsten dokumentierte Beziehung der Pop-Geschichte.

Erst nach dem Attentat wurde die arme Yoko, bis dahin eine der unbeliebtesten Pop-Bräute überhaupt, ein wenig sanfter behandelt. In den Augen der Öffentlichkeit war sie immer „daneben“ gewesen – wie sollte man eine Frau lieben, die ihre Orgasmen auf Band aufnahm und Filme über Hinterteile machte? Aber was man tatsächlich ablehnte, war ihre Stärke und die Weigerung, die Rolle des Heimchens am Herd zu spielen.

In den frühen 60ern pflegten Popstars heimlich zu heiraten, aber Yoko ließ sich nicht verstecken, sie strebte nach Dominanz und bekam sie auch. Lennon war glücklich, in der Küche zu stehen und Brot zu backen.

Aber war diese Beziehung auch gut für seine Musik? Ist es überhaupt ratsam für Paare, Privatleben und Arbeit zu vermischen? Fürwahr ein heikles Thema …

Heute fällt es schwer, die heftige Ablehnung zu verstehen, mit der sich die Beatles-Gefährtinnen damals, als die Frauenbewegung noch in den Kinderschuhen steckte, konfrontiert sahen. Eine Frau in der Band war automatisch Zielscheibe des Spotts. Selbst Mick Jagger meinte, Linda McCartneys Einstieg in die Band ihres Ehemannes mit einem höhnischen „Ach du meine Güte, jetzt hat er seine Alte auf die Bühne gehievt“ kommentieren zu müssen.

McCartney: „Die Leute waren damals empört, daß ich eine geschiedene Frau heiratete, die noch dazu Amerikanerin war. Und die Kritiker nahmen Linda natürlich überhaupt nicht ernst. Dabei ist sie eigentlich ein sehr talentiertes Mädchen. Das geht mit ihrem Gesang los. Da hieß es dann sofort: Die singt doch völlig daneben! Eine Zeitlang hörte ich mir das an und dachte: Vielleicht haben sie ja recht. Ich weiß, daß sie nicht die großartigste Sängerin der Welt ist, aber mir gefiel es, wenn wir zusammen sangen, es hörte sich ganz gut an.

Auch wegen der Keyboards fielen die Krähen über sie her: ,Die spielt ja bloß mit einem Finger!‘ Zufällig waren die Moogs damals aber noch nicht polyphon: Man kann sie nur mit einem Finger spielen! Du kannst sie natürlich auch mit fünf spielen, aber es kommt immer nur ein Ton raus. Und als wir 76 mit den Wings tourten, hatte sie ihren Krempel wirklich gut drauf, ich war ganz überrascht. Ohne daß sie das je zuvor gemacht hatte! Ganz schön mutig von dem Mädchen!“

Wie eifrig McCartney seine Überzeugungen verficht, beweist er auf FLOWERS IN THE DIRT mit dem trotzigen Song „We Got Married“. „Ich wollte mich an dem Thema Ehe nicht vorbeidriicken. Ich glaube, Millionen von Menschen kommen ganz gut damit zurecht, und wenn man schon soviel Glück hat wie ich, sollte man dem auch Ausdruck geben.“

Wenn du wissen willst, wem Joni Mitchell gerade ihr Herz geschenkt hat, raunten Eingeweihte früher, brauchst du nur darauf zu achten, wer auf ihren Platten am meisten in den Vordergrund gemischt ist – Schlagzeuger John Guerin auf MILES OF AISLES, Bassist Jaco Pastorius auf DON JUAN’S RECKLESS DAUGHTER, Conga-Spieler Don Alias auf MINGUS. So genau mußte man aber oft gar nicht hinhören, denn es gibt kaum eine bekenntnisfreudigere Sängerin als Joni. Auf ihrem Debütalbum ging es hauptsächlich um die Beziehung zu David Crosby, LADIES OF THE CANYON enthält ein Liebeslied für Graham Nash, auf BLUE ertönen Minnegesänge für James Taylor, und „Blue Motel Room“ auf HEJIRA ist ihrem kurzlebigen Techtelmechtel mit Rod Stewart gewidmet.

WILD THINGS RUN FAST, Dokumentation ihrer Liebe zu dem Bassisten Larry Klein, schien nur ein weiteres Kapitel in Jonis romantischer Odyssee zu sein. Seitdem sie jedoch mit Klein verheiratet ist. sitzen ihre Fans informationsmäßig auf dem Trockenen – keine intimen Details mehr, kein Klatsch.

„Leonard Cohen hat einmal gesagt, die Ehe sei eine neue Religion. Dem kann ich nur zustimmen“, sagt Joni. „Sicher, man muß Geduld haben. Jeder ist manchmal eine Nervensäge. Aber man kann nicht sofort weglaufen, sobald einem der andere mal lästig ist. Ich bin wirklich froh, verheiratet zu sein, aber ich möchte das so wenig wie möglich in die Öffentlichkeit tragen.“

Larry Klein, der auch Jonis Co-Produzent ist, erklärt, er hätte gegen

die Verwendung seines Ehelebens als Rohmaterial für Songs nichts einzuwenden, gibt aber zu, es sei zuweilen schwierig, mit der Person im Studio zu arbeiten, mit der man auch Tisch und Bett teilt. „Wenn unsere Meinungen über einen Song auseinandergehen, befinden wir uns zeitweilig in einem kriegsähnlichen Zustand. Aber die Vorteile überwiegen, weil wir in der gemeinsamen Arbeit völlig aufgehen können. Ich glaube, im großen und ganzen bereichert das unsere Beziehung.“

Auch Tina Weymouth und Chris Frantz, für den Rhythmus der Talking Heads und des Tom Tom Clubs zuständig, halten Nähe für etwas Positives. „Man teilt dieselben Erfahrungen. Nicht so à la ,Hattest du Ärger im Büro, Liebling?'“, sagt Tina. „Manchmal streiten wir uns im Studio oder auf Tour, weil ich einen Einsatz verpaßt habe, aber dann geben wir uns einen Kuß, und die Sache ist erledigt. Nur einmal wurde es wirklich haarig, als wir die zweite Platte mit dem Tom Tom Club machten und gleichzeitig an Talking-Heads-Projekten arbeiteten – und das alles, nachdem ich gerade ein Baby bekommen hatte. Das war kein Zuckerschlecken.“

Viele Musiker meinen, nur eine Frau, die selber spielt, könne das Leben auf Tour ertragen oder zumindest tolerieren. Eine Einschätzung, die mittlerweile auch Bruce Springsteen teilen dürfte. Seine Ehe mit Model Julianne Phillips war bekanntlich von kurzer Dauer; seit Gitarristin Patti Scialfa Bett und Bühne mit ihm teilt, sind Springsteens Beziehungsprobleme schlagartig aus den Klatschspalten verschwunden. Nicht jeder Musiker ist jedoch auf der Suche nach einem weiblichen Gegenstück. Für einige ist die Tournee auch eine willkommene Möglichkeit, dem trauten Heim von Zeit zu Zeit zu entkommen …

„Can you cook and sew/Make flowers grow? …“ Bob Dylan entwarf in seinem Song „Love In Vain“ ein eher konventionelles Bild der Idealfrau – dem Joan Baez, seine Gefährtin Anfang der 60er, überhaupt nicht entsprach. Baez, bereits eine etablierte Protestsängerin, nahm Dylan mit auf Tour und verschaffte ihm erstmals ein größeres Publikum. Ihre Beziehung dauerte von 1963 bis 1965, aber für Dylan war Joan eine Konkurrentin; er haßte den Gedanken, in ihrem Schatten zu stehen. Als sein Ego eine Fortsetzung dieser Situation nicht mehr zuließ, beendete er die Affäre.

Baez, am Boden zerstört, schrieb ihre besten Songs. Natürlich. Wer hat schon jemals einen guten Song über eine angenehme, stabile Beziehung geschrieben? Der Zuhörer identifiziert sich am leichtesten mit einer gemarterten Seele. Der Markt für Leidensgeschichten ist riesig. Zuviel Glück kann geradezu schlecht fürs Geschäft sein.

Mehr noch, sein Glück öffentlich zu zelebrieren, heißt, das Schicksal herausfordern. Nachdem sie ihrer „perfekten“ Beziehung auf drei Alben gehuldigt hatten, sahen Kris Kristofferson und Rita Coolidge ziemlich dumm aus, als die Zweisamkeit dann doch plötzlich ein Ende fand. Aber auch in diesem Fall verwandelte Kristofferson den emotionalen Nasenstüber flugs in ein Album (TO THE BONE).

Eine Band mit Frau – jede Wette, daß sie mit einem der Jungs verheiratet oder sonstwie verbandelt ist. Beispiele gibt es wie Sand am Meer, aber in Bands wie Fleetwood Mac, Jefferson Airplane, Heart und Abba nahmen die internen Verflechtungen teilweise Soap-Opera-Ausmaße an. Grace Slick (Jefferson Airplane) hatte Affären mit Schlagzeuger Spencer Dryden, Bassist Jack Casady und Gitarrist Jorma Kaukonen und ruhte sich dann eine Weile bei Paul Kantner aus, bevor sie endgültig zu dem Lichtmann der Band wechselte. Ein klassisches Beispiel für die praktisch denkende Frau.

Wenn eine Band an ihre Musik glaubt, kann sie sogar die Auswirkungen zerbrochener Liebesaffären überstehen. Deswegen spielen Chris Stein und Debbie Harry immer noch zusammen, obwohl ihre Beziehung längst nicht mehr so intim ist wie früher. Dasselbe gilt für Björk und Thor von den Sugarcubes, Exene Cervenka und John Doe von X, Annie Lennox und Dave Stewart von den Eurythmics, Phillip Boa und Pia vom Voodoo Club. „Wir waren lange zusammen“, meint Boa, „dann wieder auseinander. Im Moment sind wir auch wieder auseinander. Aber Beziehungsprobleme haben sich eigentlich nie auf unsere Musik ausgewirkt. „

Allerdings nicht für Brix Smith und Mark E. Smith von The Fall. Die amerikanische Gitarristin und Sängerin, die in das mürrische Pathos von The Fall ein wenig Pop-Wärme brachte, zieht mittlerweile mit ihrer eigenen Band Adult Net wieder allein durch die Lande. Zu seligen Fall-Zeiten waren die Rollen klar verteilt – das war Marks Gig, sie war nur die Frau im Hintergrund.

Gleichzeitig zog sich Mark immer mehr in seine private Welt zurück, wühlte in politischen Verschwörungs-Theorien und den Werken unbekannter Autoren, kanalisierte alles in Songs, Theaterstücke, Ballett und bewegte sich auf Gebieten, in denen sich Brix, ein unkomplizierteres Gemüt, nicht so recht wohl fühlte: „Er ist ein Intellektueller und Bücherwurm. Manchmal kannst du mit ihm nicht mal mehr reden. „

Mark reagierte säuerlich, wenn ihn Journalisten zu seiner Ehe befragten, ein bei kreativen Paaren häufig auftretendes Syndrom. Barbara McDonald von Timbuk 3 ist geradezu entzückt, wenn sie zur Abwechslung mal etwas über Gitarrentechniken oder Mikrofon-Positionen sagen darf, anstatt sich mit weltbewegenden Fragen wie „Wie seid ihr euch begegnet?“ und „Belastet die Arbeit eure Beziehung?“ auseinandersetzen zu müssen. Hartnäckigen Interviewern eröffnet sie, daß die Zusammenarbeit zuweilen klaustrophobische Züge annehmen kann.

Pat und Barbara McDonald sind jedoch dem Erfolg zumindest gemeinsam entgegengestolpert, das hilft. Wenn der Ruhm nicht gerecht verteilt ist, wird es prekär. Nach 40 Jahren Pionierarbeit im Jazz war Miles Davis alles andere als begeistert. als ihn die schwarze Bevölkerung Amerikas nach dem plötzlichen Aufstieg seiner Gattin zum Mega-Filmstar nur noch als Ehemann von Mrs Cicely Tyson identifizieren mochte. Konkurrenzsituation und Erfolgsdruck führten zu immer erbitterteren Auseinandersetzungen.

„Irgendwann 1986, vor einem Konzert mit B. B. King, hatten Cicely und ich einen Streit, und sie sprang auf meinen Rücken und riß mir das Kunsthaar vom Kopf. “ Aua! Ein Angriff auf seine Eitelkeit ist der sicherste Weg, einen Mann fertigzumachen. „Ich wußte, das war der Anfang vom Ende.“

Filmstar und Musiker ist eine Kombination, die nur selten zu funktionieren scheint. Es klappte weder bei Mia Farrow und Frank Sinatra noch bei Faye Dunaway und Peter Wolf. Jackson Browne und Darryl Hannah oder Madonna und Sean Penn. Andererseits glubschen sich Ringo und Barbara Bach immer noch verliebt an, sobald ein Kameramann auftaucht, und Peter Gabriel pflegt eine komplizierte transatlantische Beziehung zu Rosanna Arquette.

Derzeit wird gerade Lenny Kravitz durch den Wolf gedreht. Er versucht gerade, sein Album LET LOVE GROW zu promoten, muß aber feststellen, daß die Presse sehr viel mehr an seiner Ehe mit der Schauspielerin Lisa Bonnet interessiert ist. „Ich bin wegen meiner Platte hier and sage gern auch ein paar Worte über meine Frau. Sie haben mich Mr. Lisa Bonnet genannt, seit wir geheiratet haben. Es störte mich nicht, weil ich mir meiner selbst sicher bin. Aber wenn es jetzt immernoch heißt: ,Ah, Mr. Bonnet hat eine Platte draußen!‘ – Das ist einfach primitiv. „

Der Zerfall einer Beziehung durch die Showbiz-Zwänge läßt sich vielleicht am ehesten verhindern, wenn man diesem Druck sein ganzes Leben lang ausgesetzt war und ihn deshalb als völlig normal empfindet. Man nehme zum Beispiel Womack und Womack. Linda, Sam Cookes Tochter, war mit zwölf Garderobiere ihres Vaters und verbrachte ihre Abende mit Stars wie Dionne Warwick und den Shirelles. Das Leben mit Sam Cooke zeigte ihnen, wohin Erfolg führen kann. Sie können über die Gefahren des Showbusiness nur den Kopf schütteln. „Es scheint“, sagt Cecil, „als ob du jedesmal, wenn du dich umschaust, jemanden siehst, der gerade abstürzt. Ich bin als Musiker zur Welt gekommen, aber trotzdem sollte man als Musiker auch andere Interessen haben, eine Familie gründen, über Dinge nachdenken. Wenn nicht, ist man arm dran.“

Anfang der 80er beschlossen die Womacks, der Musikszene von L.A. den Rücken zu kehren und sich in den Bergen von Virginia niederzulassen. In ländlicher Idylle zogen sie einen Schwung Kinder auf, holten tief Atem und sammelten neue Kräfte. So einfach kann das sein.

Während die Womacks auf ihrem Album CONSCIENCE die Seele des schwarzen ländlichen Amerika exemplarisch festgehalten haben, wird die weiße Country-Tradition von niemandem besser verkörpert als von Johnny Cash. Cashs Ehefrau June Carter, Tochter der Country-Legende Maybelle Carter, ist selbst eine renommierte Sängerin. Cash und Carter haben ihrerseits eine neue Generation von Singer/Songwritern herangezogen, die sich mit alten, den Eltern wohlbekannten Problemen schlägt, einmal

Probleherum-Da ist Rosanne Cash, deren Ehemann Rodney Crowell behauptet, der Erfolg seiner Gattin sei Auslöser seiner Drogenabhängigkeit gewesen. Die Ehe zwischen June Carters Tochter Carlene und Nick Löwe brach unter dem Druck einer langjährigen Alkoholsucht zusammen. Während Löwe mittlerweile zum Abstinenzler geworden ist, landete Carlene im Krankenhaus, nachdem sie etwas zu tief in die Wodka-Flasche geschaut hatte.

June Carters vielleicht wichtigste Rolle in den letzten 20 Jahren war. Johnny Cash vor sich selbst zu retten. In den 60ern schaffte sie es, ihn aus den Klauen einer Amphetamin-Sucht zu befreien und in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Heute ist Cash zwar immer noch strenggläubiger Christ, aber das Drogenproblem ist zäh und lauert an jeder Ecke. „Auf Tour werde ich kribblig“, erzählte er letztes Jahr. „Ich würde am liebsten jetzt, in diesem Moment, Amphetamine nehmen! Aber ich versuche, jeden Tag mit jemandem zu sprechen, der Vertrauen in mich hat und mir klarmacht, daß ich es besser nicht tun sollte. Ich brauche nur zu June zu sagen: Mir geht’s ziemlich dreckig‘, und sie weiß, was los ist. Dann nimmt sie mich einfach in den Arm. Mehr braucht es oft nicht.“ – Vielleicht kein perfektes Happy-End, aber doch fast.