Nach 12 Jahren on und off the road zogen die Fantastischen Vier Zwischenbilanz und ließen sich bei der Arbeit und privat filmen. Das Ergebnis heißt „Was geht“ und kommt jetzt in die Kinos.


Manchmal kommt die Wahrheit beim Kartoffelschälen raus. Beziehungsweise: bei der Zubereitung von Kartoffelsalat. Elisabeth Dürr hat es jedenfalls schon immer gewusst. Während sie in der heimischen Küche Erdäpfel mit dem Messer bearbeitet, wird in breitestem Schwäbisch die Vita ihres Sprößlings analysiert. „D’r Thomasch war desch liebschte Kind“, sagt Elisabeth Dürr, visiert die nächste Knolle an und legt dann richtig los. „In seinem Läbenslaufhenn i geläse, dasser nach d’r Schul die Tankstelle von seinen Eltern übernähmä wollt. Aber der hätt schon immer so’n Spleen gehätt für so was Künstlerisches, auch später dann in d’r Friseurlääähre. Und wenn er jetzt mit d’r Musik Karriere gemacht hätt, isch es ja auch recht.“ Mama D hat gesprochen, ihrem Sohn Thomas im Nachhinein Absolution erteilt, und man kann ganz sicher davon ausgehen, dass der zubereitete Kartoffelsalat lecker geschmeckt hat.

Die Momentaufnahme mit der Extraportion Authentizität ist eine der spektakulärsten der unprätentiösen Szenen, die in „Was geht – Die Fantastischen Vier“ (ab dem 23. August in ausgewählten Kinos; Anm. d. Red.) zu sehen sind. Zwei Jahre lang hat der Regisseur Dieter Zimmermann die Fanta Vier begleitet, war hautnah bei den Kreativsitzungen zu „4:99“ dabei, filmte auf und hinter der Bühne, besuchte die einzelnen Bandmitglieder zu Hause und saß auch während der Hallentournee zu „4:99“ mit im Tourbus – das volle Doku-Pfund eben, die komplette HipHop-Mühle on und off the road. Das Ergebnis dieser kontinuierlichen Beobachtung ist wohl geraten, und die Gründe dafür sind vielfältig. „Was geht kommt ohne schnelle Schnitte in Videoclip-Manier aus, Zimmermann verzichtet auf visuelle Spielereien. Einziges Stilmitlei ist der Wechsel von Live-Aufnahmen mit erzählenden Passagen. Dabei kommt das umfangreiche Porträt der Fanta Vier ohne Off-Stimme aus, erklärende Zwischenpassagen fehlen gänzlich; wer gerade im Bild ist, spricht für sich selbst und nur für sich. Dieter Zimmermann setzt konsequent auf das Prinzip der Simplifikation und trägt somit seinen Teil dazu bei, „Was geht“ eine ganz spezielle Ausstrahlung zu verschaffen.

Den Rest besorgen die vier Protagonisten höchstselbst, zunächst die beiden Rampensäue der Band, Smudo und Thomas D. Aber auch wenn die zuweilen berufsbedingt baggy trousers um die Beine baumeln haben, machen sie noch lange nicht auf dicke Hose und das ist eine weitere, nicht zu unterschätzende Qualität von „Was geht“; man denke nur mit dem gebotenen Widerwillen an das Angebermachwerk, das der eitle Westernhagen von Don A. Pennebaker über sich und sein Schaffen anfertigen ließ. Wenn indes Smudo durch den langen Flur seiner Wohnung schlendert und gewohnt wortreich die eingeheimsten Preise der Tonträgerindustrie präsentiert, schwingt dabei immer ein gerüttelt Maß an Reflexion und Selbstironie mit. „Das hier ist mein Angeberflur mit den goldenen und platinierten Scheiben“, erklärt Smudo, „in meiner Stuttgarter Wohnung hatte ich die aus Zynismus-Gründen noch auf dem Klo hängen, aber hier in Hamburg hab‘ ich sie in den Flur gehängt.“ Eine weitere bemerkenswerte Sequenz: die, in der sich Thomas D an das erste Fanta-Vier-Konzert im Stuttgarter Jugendhaus erinnert. „Die geliehene Anlage haben wir mit einem Fleischtransporter mit Kühlraum transportiert, die kam dann schön kühl da an. Zuerst wollten wir fünf Mark Eintritt, nachdem die keiner zahlen wollte, sind wir auf drei runter. Später haben sie uns dann noch die Wechselkasse mit 80 Mark geklaut – es war ein Desaster.“ Spricht’s, sitzt entspannt in der Küche seines Eifeler Gehöfts und legt in einer der folgenden Szenen nach: „Heute ist es ganz schön, Popstar zu sein. Auch schon wieder 15 Uhr jetzt. Ich glaub‘, ich mach jetzt noch ein Weilchen nix.“ Ergo: Eine sentimental-nostalgische Verklärung der Vergangenheit findet nicht statt, eine realistische Selbsteinschätzung der Gegenwart hingegen schon. „Im Grunde ist Dieter Zimmermann genau wie wir Oldschooler, und er hat mit ruhiger Hand einen Film gemacht, der unsere Geschichte erzählt“, analysiert Smudo den fertigen Film, und damit hat er zweifellos Recht.

Wobei vor allem das „unsere“ voll und ganz erfüllt wird: Hausmarke und And. Ypsilon kommen in „Was geht“ ebenso ausführlich zu Wort wie Smudo und Thomas D. Nie hat man And. Ypsilon, den technischen Direktor und Festplatten-Fummler des Stuttgarter Quartetts, so viel an einem Stück reden hören – und überhaupt werden Glanz und Gloria im Schaffen der Fantastischen Vier ebenso gezeigt wie diverse „Horroraufnahmen“ (Smudo) aus den Anfangstagen. Das frisuren- und klamotten-technisch bedenkliche Erscheinungsbild, die Kaspereien zu „Die da „Zeiten, das erste MTV-Interview, der von Dieter Thomas Heck annoncierte Auftritt im Zett-De-Eff – schön ist wirklich was anderes. Und dennoch: Die Frage nach dem „Was geht“ klärt dieser Film in Bezug auf die Fanta Vier ohne Wenn und Aber: einiges.

www.diefantastischenvier.de