Null Bock auf Business


Fünf Freunde pfeifen auf den ganz großen Deal. Dennoch glauben Gutterball an ihren Durchbruch. Verdient hätten sie ihn allemal.

Das Radioprogramm in Amerika“, erklärt Bryan Harvey mit wissendem Lächeln, „ist die reinste Gehirnwäsche. Trotzdem glauben die Leute, daß das, was im Radio gespielt wird, automatisch auch gut sein muß. Dabei regiert nur das Geld, sogar bei den sogenannten Alternativsendern.“ Spricht so der letzte Aufrechte in einer korrupten Welt voller Playlists, Quoten und Chartnotierungen? Oder vernimmt man gar das Klagelied eines finanziell enttäuschten Künstlers, der notgedrungen den Kommerz verteufelt? „Natürlich wollen auch wir ein paar Dollar machen“, wiegelt Gitarrist Harvey ab, „aber auf unsere Weise.“

‚Weasel‘, Gutterballs zweites Album, hat allemal das Zeug zur Geldmaschine: hochmelodischer, folkbeeinflußter Gitarrenrock, der originell genug ist, um die oftmals genretypische Langeweile geschickt zu umschiffen. Daß das Meisterwerk in nur drei Tagen eingespielt wurde, versteht sich bei Gutterball von selbst. Zum einen wurde die Band von Anfang an als reines Freizeitprojekt konzipiert — hauptberuflich verdingt sich Bryan Harvey ebenso wie Schlagzeuger Johnny Hott bei den House Of Freaks, und Sänger Steve Wynn, der ehemalige Frontmann des Dream Syndicate, veröffentlicht regelmäßig beachtenswerte Soloalben — zum anderen pflegt die fünfköpfige Allstar-Band (ergänzt um Armistead Wellford und Stephen Mc-Carthy) eine Vorliebe für spontane Low-Tech-Aufnahmen. „Unser erstes Album“, erinnert sich Steve Wynn, „nahmen wir in einer Scheune in Richmond auf. Ein ehemaliges Sklavenquartier. Der Verstärker stand im Heu, das nächste Haus war meilenweit entfernt. Eine seltsame Gegend. Für mich ist sogar Deutschland näher an Los Angeles oder New York als Richmond/Virginia.“ Dennoch: Johnny Hott bringt die Segnungen der Provinz auf den Punkt: „Richmond war immer ein gutes Pflaster für Musiker, es gab dort viele Live-Clubs. Allerdings verschlechterte sich die Situation, als von offizieller Seite beschlossen wurde, die Altersgrenze für Alkohol von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen.“

Auch ‚Weasel‘ entstand in Richmond. Die schnöde Scheune tauschte man allerdings gegen ein professionelles Studio ein, und am Mischpult saß jener John Siket, der auch schon für Sonic Youth und Freedy Johnston die Regler bediente. Die Treue hielten Gutterball hingegen ihrer kleinen Plattenfirma. Mit den Großen der Branche hatte man einfach zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Bryan Harvey: „Sie sagen, daß sie an deiner Musik interessiert sind. Doch letztlich denken sie nur an das Geld, das sie mit dir verdienen können. Du bist für sie nur ein Produkt – wie Kartoffelchips. Orangensaft oder Kaffee. Kann sein, daß Madonna auf so was steht, wir tun’s jedenfalls nicht.“ Den US-Mainstream, meint Harvey, könnten Gutterball wohl erobern. Aufdrängen aber werde man sich nicht, denn: „In Europa ist das Publikum ohnehin wesentlich aufgeschlossener.“