Hirnflimmern: Gender-Contest am Pop-Olymp


Frauen oder Männer: Wer macht das Rennen im Popjahr 2014? Josef Winkler ist ja so gespannt.

Gestern im progressiven Popradio. Der Moderator wagt einen Ausblick auf das bevorstehende Jahr mit der laufenden Nummer 2014. Musikalisch gesehen könne 2014 „ein Jahr der Frauen“ werden, stellt der Moderator in Aussicht und begründet diese Prognose mit der Aufzählung zweier (!) Platten von Musikern weiblichen Geschlechts, die in diesen ersten 14 Tagen des Jahres bereits veröffentlicht worden seien.

Stimmt schon: Wenn man das auch nur grob hochrechnet, ist selbst bei konservativer Schätzung davon auszugehen, dass es im Lauf des Jahres noch mindestens einige Frauenplatten mehr werden. Ein anstehendes popmusikalisches „Jahr der Frauen“ wäre somit wenn schon unter Umständen wegzudiskutieren, so doch zumindest herbeiredbar und daher nicht von der Hand zu weisen. Hach ja, Frauen und Rockmusik. Ich weiß es noch gut, es muss Anfang der 90er-Jahre gewesen sein, als sich herausstellte, dass Frauen offenbar auch Musik machen und diesen musikalischen Mut nun auch immer öfter im Umfang von Schallplattenveröffentlichungen unter Beweis stellten, die teils echt gut waren. Für eine Frau oder auch ganze Bands aus diesen rätselhaften Wesen.

Seitdem sind ein ums andere mal Popjahre der Frauen avisiert worden, etwa anlässlich clusterähnlich simultan erscheinender Platten damals neuartiger Frauen wie PJ Harvey, Björk und Tori Amos. Ob 2014 was draus wird, hängt freilich auch davon ab, wie sich die Männer schlagen, diese ewigen und eisernsten Konkurrenten der Frau im Rennen um den Pop-Olymp, die wohl wieder nichts unversucht lassen werden, den Frauen die Schau zu stehlen und Pop-2014 zu einem Jahr der Männer zu machen – typisch. Es gehören halt immer zwei dazu – „it takes two to tango“, wie Rufus Wainwright sagt.

Apropos: Hat eigentlich schon ein homosexueller Musiker eine Platte veröffentlicht heuer? Könnte 2014 also eventuell ein Popjahr der Schwulen werden? Klar, schwul ist ja kein Geschlecht, aber müsste es da nicht trotzdem eine eigene Wertung geben, ich meine: Wenn man sein Metier Musikjournalismus ernst nimmt? Hat der Moderator genau hingeschaut, ob nicht unter den zwei Musikerinnen, die 2014 bereits Tonträger veröffentlicht haben, ein gewisser Prozentsatz von lesbischen Frauen ist?

Vielleicht wird es aber auch noch viel komplexer, und 2014 wird zum Beispiel das Jahr der female fronted bands? Auch so ein Ding aus den 90er-Jahren. Oder das Jahr der Männerbands mit exzentrischen Bassistinnen? Oder das Jahr der androgynen SongwriterInnen? Hm. Vielleicht ist es aber auch zu früh für derlei Spekulationen.

Übrigens, Augen auf beim Plattenkauf: Es ist nicht überall Frauenmusik drin, wo Frauennamen draufstehen! Darauf verweisen immer wieder leidgeprüfte Frauenmusikfreaks, die unterinformiert zu Produkten von Alice Cooper und Molly Hatchet griffen. Drum gilt, wie auch immer am Jahresende die Bilanz aussehen wird: Fachmagazine lesen hilft.

Diese Kolumne ist in der März-Ausgabe 2014 des Musikexpress erschienen.