Ofra Haza – Das exotische Goldstück


Nach Apfelsinen und Maschinen-Pistolen exportiert Israel nun auch Popmusik. ME/Sounds-Mitarbeiter Jörg Feyer kratzte an der Oberfläche und stellte fest: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Ein bißchen anders hatte ich sie mir schon vorgestellt -— nicht ganz sooo hübsch, vielleicht nicht ganz so naiv. Unter der Devise „Alles Wird Gut“ scheint Ofra Haza über den niederen Instinkten böser Menschenkinder zu schweben — egal, ob sie sich in gestohlenen Samples (Eric B. & Rakim klauten bei ihrem „Im Nin‘ Alu“) oder rachsüchtigem Palästinenser-Gemetzel manifestieren. Aber vielleicht ist auch das nur eine allzu verständliche Reaktion auf den Alltag in einem Land, wo politische Realitäten noch im wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Leib spürbar sind, wo das Schallplattengeschäft noch fast eine Familienangelegenheit ist und schlappe 40.000 verkaufte Einheiten bereits Platin-Ehren einbringen…

In Israel, so heißt dieses Land, ist die dunkelhaarige Schönheit ein sogennanter Super-Star: Gold und Platin in Hülle und Fülle, Grammy-Gewinne. Als Ofra nach einem Flugzeugabsturz kurzzeitig als vermißt gilt, wird schon mal prophylaktisch auf Volkstrauer gemacht. Ihre Zielgruppe: 5 -— 60 Jahre. Ihr Repertoire: Pop-Songs, Kinderlieder, israelische Volkslieder und Jemenite Songs. Die waren „eigentlich ein Geschenk für meine Eltern“, besonders für ihre Mutter, die dieses alte, von Generation zu Generation überlieferte Volksliedgut auf Festlichkeiten oder ganz einfach zuhause zum Besten gab. Prägend waren außerdem ein auch politisch orientierter Theater-Workshop, dem sich Ofra mit 13 anschloß und schon bald als Solistin vorstand. Und drei Jahre Pflichtwehrdienst —- wir sind schließlich in Israel.

Die Jemenite Songs fielen schließlich einem britischen DJ auf, der gerade in Tel Aviv Plattendienst tat und ein Tape zu Freunden nach London schickte -— der Ethno-Pop-Zug kam ins Rollen. „Ich habe“, erklärt sie, „diese Songs nicht aufgenommen, nur um irgendwas Kurioses abzuliefern. Das sind meine Wurzeln, etwas das mir wirklich am Herzen liegt, das auf meine Vorväter zurückgeht. Für die Leute in den europäischen Discos und Clubs, die sonst nur britische und amerikanische Popmusik hören, war es eben etwas besonders Ungewöhnliches.“

Den Exoten-Kick suchte auch die Coldcut-Crew, die „Im Nin‘ Alu“ in ihren europaweit erfolgreichen „Paid In Full“-Remix einsampelte. „Eine hervorragende Produktion“ attestiert Ofra, „aber zunächst war ich schon etwas empört, mich in diesem Kontext zu hören. Und meinen Namen haben sie auch nicht ein einziges Mal erwähnt. „

Mittlerweile hat sich ihr Gemüt beruhigt; eine Zusammenarbeit mit Coldcut, „für zwei oder drei Songs“, ist gar anvisiert, aber noch nicht definitiv. Mit dem Bonus der Sampel-Arie als zusätzlichen Rückenwind hofft sie natürlich, „daß ich auch hier erfolgreich bin. Wenn nicht, habe ich immer noch meine Heimat. Ich will den Erfolg hier nicht um jeden Preis.“

Wally Brill hatte da weniger Skrupel. Der britische Produzent (Annabel Lamb etc.) nahm den Arbeitstitel TEMPTATION etwas zu wörtlich und konnte der Versuchung nicht widerstehen. Ofra Haza in ein konturloses Mainstream-Disco-Gewand zu stecken —- Ethno raus, Pop rein sozusagen. Doch glücklicherweise hatte auch die zuständige Plattenfirma Ohren am Kopf und hörte, daß man Ofra mit einer derartigen Veröffentlichung wohl eher langfristig schaden denn, wenn überhaupt, kurzfristig nutzen würde: Das Werk wurde vorläufig auf Eis gelegt. Stattdessen arbeitet Ofra Haza derzeit zuhause mit ihrem israelischen Stamm-Produzenten an neuen Songs. „Nein, ich glaube nicht“, antwortet sie auf meine Frage, ob denn in Israel die jemenitische Tradition angesichts westlicher Einflüsse ernsthaft in Gefahr geraten könne.

„Alle in meiner Heimat lieben das Album, und wenn ich z.B. diese Disco-Version von ‚Galbi‘ gemacht habe, dann auch deshalb, um den jungen Leuten den Zugang zu dieser Tradition zu erleichtern. Das Gute in Israel ist: Wenn ich möchte, kann ich mit jeder Platte wieder etwas Anderes machen. Hier in Europa dagegen wirst du sehr schnell auf einen bestimmten Stil festgenagelt, von dem du dich dann kaum noch lösen kannst.“

Ob der Hammer auch für Ofra Haza geschwungen wird, muß sich erst noch herausstellen, denn ein Chart-Hit macht noch keinen Sommer.