PAL


PAL hatte – um es zurückhaltend zu formulieren – mit gewissen Startschwierigkeiten zu kämpfen. Zuerst wurde die Band mit den Aufnahmen der Debut-LP „Malice In Wonderland“ nicht rechtzeitig fertig, dann verstauchte sich Ian Paice bei einem Sturz die Hand und die geplanten Einführungstourneen durch Deutschland und Skandinavien wurden abgesagt. Schließlich war alles bühnenklar – aber gleich bei einem der ersten großen Konzerte fiel Tony Ashton im Londoner ‚Rainbow‘ kopfüber in den Orchestergraben…

Tony passierte glücklicherweise nicht viel, er kletterte gleich wieder auf die Bühne. Ian hat sich inzwischen von seinem Mißgeschick erholt und verteilt die Wirbel über seine Schlagzeugbatterie aus dem Handgelenk.Bernie und Paul haben sich gut auf Tony’s Boogie-Piano eingestimmt, die Brass-Section und zwei Sängerinnen runden das Ganze zu mächtiger Soundfülle ab – und Jon Lord fühlt sich wieder sichtlich wohl. Vom alten Frust befreit, tobt er sich munter auf seinen Tasten aus.

„Diese Band ist wieder ein lustiger Haufen“, sagt Jon, „wie damals bei Deep Purple mit Ian Gillan und Roger Glover, oder als David Coverdate und Glenn Hughes neu dazu kamen. Das war eine schöne Zeit. Aber in den letzten Jahren von Deep Purple hatten wir uns einfach auseinandergelebt, und vielleicht waren wir auch zu groß für uns selbst. In dieser Zeit sind zwar immer noch ganz gute Platten entstanden, ich halte ‚Come Taste The Band‘ für ein sehr gutes Album, doch außerhalb des Studios war die Welt für uns nicht mehr in Ordnung. Mit PAL können Ian und ich nun den Leuten zeigen, daß uns das Spielen wirklich wieder Spaß macht.“

Die PAL-Story auf Zelluloid

PAL hat von Anfang an hart gearbeitet. Das zeigt auch der Film, den Lord, Ashton und Paice über die Entstehung und Entwicklung der Gruppe drehen ließen. „Angefangen vom Zusammentreffen mit den anderen Musikern, den Proben und Plattenaufnahmen bis hin zu den ersten Konzerten mit den Höhepunkten unseres großen ,Rainbow‘-Auftritts, haben wir alles auf 16mm-Film festhalten lassen,“ erklärt Jon. „Im Juni sind wir dann soweit, daß wir den etwa 50minütigen Streifen dem Fernsehen anbieten können.“ Vorher aber kommen Jon Lord und seine Kameraden erst einmal nach Deutschland, um im Münchner Musicland Studio ihr zweites Album einzuspielen. Anschließend wollen sie die im März ausgefallenen Tournee-Daten nachholen. Im Sommer stehen einige Festival-Auftritte auf dem Programm, dann folgt ein kurzer Abstecher nach Amerika, und Ende des Jahres geht’s weiter nach Australien und Japan.

„Aus Japan habe ich gerade einen Brief von der Vorsitzenden des dortigen Purple-Fanclubs bekommen“, freut sich Jon, „die machen jetzt sogar einen PAL-Fanclub auf. Anfang des Jahres wurde ich dort in einem Pop-Poll zum zweitbesten Organisten gewählt, und Ian steht bei den Drummern auf dem dritten Platz.“ Natürlich bedeutet das ein Wiedersehen mit zahlreichen Purple-Fans, die nach ihren alten Lieblingssongs verlangen. Bei den ersten PAL-Konzerten in England kam es zu .so manchem Zwischenruf. „Jeden Abend schrie einer nach ,Smoke On The Water‘ oder ähnlichem“, erinnert sich Jon, ,und das wird uns sicher noch öfter passieren, weil bisher noch nicht sehr viele wissen, was wir eigentlich so machen. Aber dann gehe ich ans Mikrophon und sage: ,Ich glaube, Ihr seid im falschen Konzert!‘ Denn ich möchte nicht noch einmal acht Jahre dieselben Stücke spielen. Deshalb haben wir schließlich eine neue Gruppe gegründet.“ „Gleichwohl stolziert bei PAL niemand auf der Bühne herum und hält sich für den Größten. Natürlich sind Ian und ich als ein Teil von Deep Purple sehr bekannt geworden, doch jetzt fühlen wir uns nur noch als Mitglieder von PAL und wollen als Musiker anerkannt werden. Zwar werden wir es durch unsere Namen damit etwas leichter haben, aber trotzdem müssen wir das Publikum immer wieder aufs neue von uns überzeugen. Wir werden uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen!“ „Jetzt müssen wir fast ganz von vorne anfangen“, erklärt Jon. „Uns steht all das bevor, was wir auch schon mit Deep Purple durchgemacht haben. Wir werden wieder in Hallen mit 2000 bis 3000 Plätzen spielen und darauf aufbauen.“

Wollt Ihr’s heavy – geht zu Ritchie

„Diese Band ist in der Tat anders als Deep Purple – keine Heavy Metal Group – aber es bleibt immer Rock’n’Roll. Nicht so was wie James Last! Ich habe viele Purple-Fans gesprochen, denen es sehr gut gefallen hat, und bei unserem Konzert in Newcastle waren auch wieder eine Menge Kids dabei, die wie wäd die Köpfe schüttelten“, freut sich Mr. Lord. „Trotzdem nehme ich an, daß wir in Zukunft nicht nur die ganz jungen, sondern auch ,ältere‘ Leute im Publikum haben, denn irgendwie sind wir intellektueller geworden. Wer also zu den totalen Purple-Fans gehört – der soll lieber zu Ritchie Blackmore gehen.“ Jon Lord leistet es sich, seine musikalischen Ambitionen zu verwirklichen und eingefleischte Heavyrock-Fanatiker auf seine alten Mit- und Gegenspieler zu verweisen, weil er an seinen Erfolg glaubt. Er will populär bleiben: „Natürlich wollen wir Erfolg, es geht ja um unsere Karriere. Wir machen es nicht zum Vergnügen. Wir spielen, um davon zu leben. Ich wäre ein Idiot, ja ein Lügner, wenn ich etwas anderes behaupten würde“, gesteht er, „aber glücklicherweise stehen wir nicht mehr unter dem Druck, jede Menge Geld damit verdienen zu müssen. Ian und ich haben genug auf der Seite, und so bleibt für uns nur die Verpflichtung, die beste Musik zu machen, die wir können. Und das ist doch ein guter Vorsatz!“