Peter Murphy


Es wirkte wie Ironie, daß vor Peter Murphys Auftritt das neueste Album von Iggy Pop gespielt wurde. Denn als Murphys Gruppe Bauhaus vor Jahren auf der Hitsuche bei einer fragwürdigen Cover-Version von „Ziggy Stardust“ Zuflucht nahm, wurde auf einmal deutlich, daß Murphy immer nur David Bowie kopiert hatte – und der hatte wiederum von Iggy gelernt. Und wenn man’s ganz genau nimmt, hat auch Iggy keine neue Ära eingeläutet, sondern ganz gehörig bei den Doors geklaut. So schließt sich der Kreis: Peter Murphys stilisiertes Geschmachte und die hautengen Lederhosen stammen, obwohl mittlerweile ganz schön abgetragen, eindeutig von Jim Morrison.

Peter weiß nicht, was er tut. Er blubbert ein paar nebulöse Phrasen und klebt das Etikett Tiefsinn drauf. Er tut rätselhaft, denn Abgründiges verkauft sich schließlich immer, oder? Also schlendert er mit akustischer Gitarre auf die Buhne, spielt uninteressante Akkorde und versucht sich als Chansonnier, ein schwaches Echo von Bowie in dessen Jacques-Brel-Phase. Dann taucht seine gesichtslose Backing-Band auf und erschlägt uns mit einer öden bombastischen Mixtur aus New-Wave-Stilen: einmal von Ultravox bis Psychedelic Furs und wieder zurück.

Der Rocksänger als Schamane: Oft kauert Murphy mit abgewandtem Gesicht am Bühnenrand und reckt uns sein knochiges, lederumhülltes Gesäß entgegen. Er hüpft nach rechts und links, wirft ein Bein in die Luft und versucht sich halbherzig an Mikro-Geschwinge à la Daltrey, wobei er den Radius wahrscheinlich aus Angst vor Beulen vorsichtshalber auf ungefähr 20 Zentimeter beschränkt. Und die ganze Zeit wirkt es, als beobachte er sich selbst, als versuche er sich zu erinnern, wie diese oder jene Pose zuhause im Schlafzimmerspiegel aussah. Den wirbelnden Derwisch kauft ihm aber keiner ab. wenn er aus scheinbarer Ekstase heraus plötzlich innehält, um Schuhe oder Hemd oder den Sitz der Frisur zu überprüfen. Wenn Murphy sich nach solchen Momenten wieder an das Publikum erinnert, kann man ihn förmlich denken sehen: Welche Pose habe ich noch nicht eingenommen? Er klettert auf das Sehlagzeugpodest, breitet die Arme aus wie Flügel und mimt den sterbenden Schwan. Der Drummer zieht es vor wegzusehen. Es ist aber auch zu peinlich. Tragisch geradezu. Traurig.

Die ganze Charade dauert nur 50 Minuten. Keine Zugabe. Höhnisches Pfeifen. Langhaarige Roadies rollen mit trübseliger Miene die Kabel zusammen, während Iggy Pop wieder über die PA krächzt, entschlossen, den Ex-Bauhaus-Sänger zu überleben. Sie haben es alle nicht leicht. Früher reichte es noch aus, mager und hohlwangig zu sein. Was ist nur schief gelaufen?