Prince – Frankfurt, Waldstadion


Erdbeben, Blitz und Donner, Weltuntergang, dann Stille. Vom Stadionhimmel senkt sich die letzte Botschaft des Zeremonienmeisters herab. Ein Herz aus Neon, „Yes“ steht darin. Die gut 50 000 haben noch etwas esoterische Wegzehrung für den Nachhauseweg. Doch was wollte uns der Künstler damit sagen?

Etwa zwei Stunden vorher, auf dem Weg zur Tribüne, sehe ich eine kleine Gestalt in schneeweißem Anzug durch einen Mauerspalt unterhalb des Damenklos über die Menschenmassen lugen. Prince, der Spanner im Dunkel, dreht sich um und dackelt hinter seinem neanderthalhaften Bodyguard Chick Huntsberry zu dem wartenden 560er Benz. Man bringt ihn zu dem weißen Cadillac, mit dem er gleich auf die Bühne fahren wird. Einen Atemzug lang Blickkontakt, der das Geheimnis seines Charismas offenbart: Solch eine angespannte und dennoch lockere Souveränität kennt man sonst nur von Rudolpho Valentino, Karl Marx, Teresa Orlowski und dem Dalai Lama. In den folgenden zwei Stunden wird er die Vorzüge der großen Vier in sich vereinen. Na gut, sagen wir eineinhalb Stunden, denn vom ersten Viertel hat infolge des USR (Unerträglichster Soundbrei der Rockgeschichte) ohnehin kaum einer was mitgekriegt. Wesentlich besser wurde die Beschallung auch später nicht, hier verdient sich Michael Jackson (falls überhaupt jemand den Vergleich braucht) deutliche Pluspunkte. Ansonsten bleibt Prince Sieger nach Punkten, denn der laufende Paisley-Meter braucht gar keinen guten Sound, um einen in die Abgründe der reinen Lust zu ziehen. Er ist das volle Set über, vom endlich mal ausreichend langen Sheila E.-Drumsolo abgesehen, immer als der große Hexenmeister präsent, wenn auch ganz anders als auf früheren Tourneen.

Prince hat spürbar an Reife gewonnen, ist jetzt auch ohne Springmaus-Gehabe immer der Mittelpunkt auf der Bühne. Doch er ist mehr als nur ein Spitzen-Entertainer. Gut —- er läßt kaum einen wichtigen Song aus, geht zurück bis „When You Were Mine“ von DIRTY MIND und nach vorn bis zu dreieinhalb Knallern vom BLACK ALBUM, spielt seine Hits endlich nicht mehr in Medley-Verwurstung und erspart sich auch die Peinlichkeit, beim Bühnen-Basketball danebenzuwerfen. Dafür ist alles, was er macht, selbstverständlicher und greifbarer geworden. Vorbei ist’s mit der Zunge an der Gitarrensaite, statt dessen fragt er artig nach der vierten Strophe von „Purple Rain“ das Publikum: „Can I play a little bit guitar for you?“

Bei „Bob George“, diesem Todes-Rap, liefert Prince mal eben eine Miniatur-Westside-Story: Cat kommt mit neuem Brilli-Ring vom Schäferstündchen mit Bob, jenem „rich motherfucker“ zurück, tough-guy Prince reißt ihr das Geschenk vom Finger, MG-Salven fetzen durch die Luft, abgefeuert vom Mikro des Meisters, das auch nicht mehr so oft wie früher als Morgenlatten-Ersatz herhalten muß. Prince baut Soap-Opera-Szenen in seine Show ein, als ob’s gar keine Stil-Grenzen gäbe. Das gleiche Mixed Pickles wie seine Musik, alles wird vereinbar und auf den Nenner gebracht: Lovesexy. „This is not music, this is a trip“, den Spruch bringt er auf jedem Konzert der Tour, und überall folgen die Fans willig dem Meister, unterstützt von einer grandiosen Lightshow, neben der Genesis aussieht wie Aladin mit der Taschenlampe.

Doch nach zwei Stunden Reise durch den Liebes-Kosmos entschwindet der Prophet auf dem Dach des weißen Cadillacs, läßt uns arme Erdenwürmer in dem UFO zurück, das sich in Licht-Geschwindigkeit zum brunznormalen Fußballstadion zurückentwickelt. Die letzte Botschaft des Reise-Leiters senkt sich herab, es ist ein Three-Letter-Word: „YES“. Doch was, verdammt, will uns der Künstler damit sagen?