Public Image Ltd.


Soviel vorweg: Die neuen Public Image sind eine wider Erwarten positive und unterhaltsame Angelegenheit. Der Vorhang teilt sich und gibt den Blick auf ein buntes Lichtermeer frei. Die Bühnendekoration — vom Wiener Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfen — zeigt eine „magische Stadt“, die sich über alle Regeln der Perspektive hinwegsetzt. Überall seltsame kleine Straßen und Türmchen, Johnny Rotten (jawohl, Lydon ist wieder Rotten!) taucht auf, verschwindet und hüpft dann auf den Mauern rum wie ein Kobold. Streng schaut er sich um. Sein grüner Anzug beißt sich haarsträubend mit seinen orangefarbigen Dreadlocks, die fragt mich nicht wie — senkrecht von seinem Kopf abstehen.

PIL haben früher darauf Wert gelegt, „Anti-Musik“ zu machen, die Propheten des puren Krachs zu sein. Die neue Inkarnation hingegen ist schlichtweg professionell. Richtig spielen können die ja! Schlagzeuger Bruce Smith legt mühelos einen monströsen Hard Rock-Beat vor, der wie ein fünffacher John Bonham klingt. Obendrein bedient er von seinem Schlagzeug mit Fernsteuerung einen Svnthesizer. An der Leadgitarre steht

John McGeogh und spielt so oft so genial, daß man sich fragt, warum dieser Mann soviel Zeit damit verschwendet hat, bei den Banshees den Primitivling zu mimen. Sämtliche noch verbleibende Lücken werden von Rhythmusgitarrist Lu Edmunds (Ex-Damned) und dem früheren Studio-Bassisten Alan Dias (zuletzt bei Bryan Ferry) gefüllt. Das Ergebnis ist ein fetter, glatter Sound, den man von jeder anderen Gruppe, nur nicht von PIL erwartet hätte. Johnny Rotten hat sich sogar das pomadige Gehabe des typischen Popsängers angwöhnt: die Hand am Ohr, „ich kann euch nicht hören“ und ähnlicher Rockpalast-Schnack. Sein Auftreten ist brav und bekömmlich, reine Familienunterhaltung.

Einzig das Publikum ist mit dem Umschwung noch nicht so ganz mitgekommen. Die Punks in der ersten Reihe spucken immer noch, was Johnny nicht sonderlich schätzt. Überhaupt nicht!

„Ein paar dumme kleine Bastarde spucken die ganze Zeit auf mich. Hört auf damit, ihr dummen kleinen Bastarde, sonst laß ich euch rausschmeissen!“ Andere können’s nicht lassen, mit Münzen nach Johnnys Schädel zu zielen. (Lu Edmunds später: “ Wir hätten ja nichts dagegen, wenn sie mit Scheinen werfen würden.“) Die Band gräbt tief in der PIL-Vergangenheit. Sie bringen Songs von der ME-TAL BOXund FLOWERS OF RO-MANCE-Periode, kriegen aber den meisten Applaus für die neueren Sachen. „Rise“ kommt sehr gut, „World Destruction“ von Time Zone steht auch auf dem Programm, und die neue PIL-Single „Seattle“ wird ebenfalls mit großem Gebrüll begrüßt.

Ob das alles eine tiefere Bedeutung hat, ist eine Frage, mit der sich soziologisch bewanderte Kritiker beschäftigen können. Johnny Rotten jedenfalls hatte seinen Spaß.