Radio SDR 3


Blutunterlaufene Augen bei den Moderatoren, die Hemden könnten auch mal gewechselt werden, vor der Tür stehen schon wieder fünf Hö- rer, schon wieder mit 'nem selbstgebackenen Kuchen, das Programm ist eine Stunde im Verzug und jetzt kommt auch der Track nicht!

Hey, it’s cool man! Wir sind im Endspurt der SDR 3 Top 1000 XL, der wohl längsten Hitparade aller Zeiten – auf Platz 247, um genau zu sein – und die Stimmung im Studio 5 bei SDR3 ist sensationell. Nur Christian ‚Pitschi‘ Pitschmann ist gestresst, eben weil der Truck nicht kommt. Der Truck, das ist der LKW der Schweizer Gruppe Gotthardt, die während der großen Abschlußveranstaltung der Top 1000 auf dem Stuttgarter Wasen auftreten sollen. Morgen ist Sonntag, in Deutschland herrscht bekanntlicherweise LKW-Fahrverbot, und die Eidgenossen haben keine Sondergenehmigung, um Deutschlands geheiligte Autobahnen befahren zu dürfen. Ka-Bumm. ‚Pitschi‘ hängt seit einer Stunde am Telefon, um die Sondergenehmigung mittels päpstlichen Beschlusses vom Innenministerium zu bekommen. Zu bedenken: wir befinden uns in Stuttgart, es ist Samstag abend, kurz nach 19.00 Uhr. Easy, no problem. Nur ‚Pitschi‘ schwitzt eben ein wenig.

Seit Montag früh um Acht legen die drei Stuttgarter DJs Thomas Schmidt, Stefan Silier und Matthias Holtmann nun schon die über 1500 Scheiben auf, die die Top 1000 ausmachen – die Hörerhitparade von Radiostationen aus acht europäischen Ländern. Selbst Radio Sarajevo macht mit, sehr zur Freude der Kollegen von der ARD-Tagesschau, die Thomas Schmidt während der Sendung die Kamera vors Mikro knallen. Zwischenzeitlich startet vor der roten Stahltür des Studio 5 eine Impromptu-Keller-Party. Rund 150 SDR3-Fans waren flott am leicht gestressten Pförtner („Ha no! Ha no! SoGotsAbrEtt!“) vorbeimarschiert, direkt in den Keller des riesigen Sendegebäudes, und machen sich nun freundlich, aber bestimmt über die flüssigen Reserven der Öffentlich-Rechtlichen her. Auch sonst herrscht im Reich der Süddeutschen edle Stimmung. Seit fast einer Woche schon klebt das Ländle mit mindestens einem Ohr am Radio, um die Tausend Beliebtesten gespannt mitzuhören. Selbst die Stuttgarter Finanzdirektion hatte seine Regelung „Kein Radio während der Dienstzeit“ gelockert und SDR 3-Listening sanktioniert. Auch die Bundesliga-Fans hören die Hitparade im Karlsruher Wildparkstadion live mit. Der Wilde Süden fürwahr.

Sonntag Morgen, 6 Uhr. ‚Matze‘ Holtmann – gestärkt durch mehrere Pfund gerührtem Kuchen aus der fantollen Provinz übergibt das Mikro zum letzten Mal an Stefan Silier. Der fliegende Wechsel klappt, wie zuvor schon dreiundzwanzigmal, Stefan verwechselt zwar den WetterJingle mit dem der Verkehrsdurchsage. Aber das fällt ja nun schon nicht mehr auf, schwäbischer Verkehr findet um diese Uhrzeit eh‘ selten auf der Straße statt. Die schwäbische Nation zittert gemeinsam dem Endergebnis entgegen. Der Gotthardt-Truck hat unversehens deutschen Boden unter den Reifen, „Pitschi“ legt sich ins Bett.

Sonntag, 14.57 Uhr. Auf der Bühne des Reitstadions, wo die letzten 20 Songs Open-Air-mäßig ans schwäbische Volk gebracht werden. Die Hände der drei DJs zittern, Matze H. hält den alles entscheidenden Umschlag in der Hand. Der letzte Song! Der Gesamtsieger! Die absolute Nummer Eins! Der Überhit! Das Volk hat gesprochen! And the winner is ….Led Zeppelins „Stairway To Heaven“. Darf ja nicht wahr sein! Der Wilde Süden, yo!