Raus aus der Klamotte


Über seine Grimassen lacht die Welt, doch Robin Williams meint es ernst: Er will Schauspieler sein. Und "König der Fischer", sein neuer Film, ist kein Scherz.

Sein bloßer Zeigefinger bescherte dem Fernsehen eine seltene, blödsinnig komische Sternstunde. Es geschah, als er jenen Finger zum ersten Mal in ein Glas mit Milch hielt, damit ganz wunderbar trank, zufrieden rülpste, und dann mit Honigkuchenpferd-Gesicht sein bald berühmtes „Nano, nano“ zum Besten gab: Plötzlich war Robin Williams der Welt liebster Klassenclown. Denn die Spleens von „Mork vom Ork“ sorgten rasch für die Berühmtheit des jungen Komikers. „Pretty Womarr-Regisseur Garry Marshall hatte ihn entdeckt und 1978 flimmerte die erste Folge über US-Bildschirme. Knapp drei Dutzend weitere Länder sollten folgen, darunter auch good, old Germany im friedlichen Samstag-Nachmittags-Programm.

Dreizehn Jahre später. Der selbe Robin Williams spielt einen New Yorker Penner, dessen gesunder Menschenverstand auf seinem Weg ins Elend auf der Strecke geblieben ist. Er sieht flammende Ritter durch GroßstadtschJuchten toben, träumt von der wahren Liebe und versucht alles, seine tragische Vergangenheit zu vergessen. „König der Fischer“ zeigt Robins bisher überzeugendsten Ausflug ins seriöse Fach. Ein weises Feuerwerk aus Magie, Witz, Schmerz und Menschlichkeit; weiterhin mit Jeff Bridges und Mercedes Ruehl. inszeniert von Terry Gilliam („Time Bandits“, „Brazil“). Gilliam über Williams: „Er ist brillant und gehört derzeit zu den fünf Groß¿

ten der Welt. Aber manchmal konnte er einem wirklich den Tag versauen. Kaum steht Robin mal mit dem falschen Bein auf, fängt er mit seiner Nummer an: Nach zehn Minuten liegt die Crew lachend auf dem Boden. Ich natürlich auch, und den Zeitplan konnten wir erst mal vergessen. „

Da haben wir den Salat. Robin Williams, der witzigste Mann Amerikas, der fleischgewordene Lachsack. So eine Reputation kann ein hübsch lästiger Fluch werden. Williams dazu: „Jesus, manchmal bin ich auf einer Party und die Blicke der anderen Gäste schreien nach einem Witz. Da möchte man am liebsten eine Knarre rausholen, den Nächstbesten umlegen und in Ruhe sein Bier weitertrinken. Ha, dann wär’s erst mal vorbei mit dem Image vom tollen Komiker!“ Er hat es sich selbst eingebrockt. Lange vor breiter Popularität war Williams in Clubs quer durch’s Land als „Stand Up-Comedian“ bekannt. Stand Ups sind Amerikas traditionelle Alleinunterhalter, die in irrwitzigen Monologen über Gott und die Welt auf Kleinkunstbühnen um Lacher kämpfen. Je respektloser, desto besser. Jeder namhafte amerikanische Komiker hat diese härteste aller Entertainment-Schulen durchlaufen, ob Steve Martin. Ed Murphy, oder eben Robin Williams. Und Williams war darin Meister. Schnell, pointiert, scharfsinnig. Alive and kiclung. Kern Wunder, daß im Drehbuch zu „Mork vom Ork“ oft nur der Satz „Robin does his thing stand. Offenbar hatte es kein Autor je geschafft, so gute Sachen zu schreiben, wie sie Williams vor Ort improvisieren konnte. Klar, daß irgendwann Hollywood rief, und er sich im Laufe der Jahre auch auf der Leinwand den Ruf des großartigen Grimassenschneiders erspielte (s. „Good Morning Vietnam“). Bis ihn schließlich das Woody-Allen-Syndrom befiel. Um nun nicht mehr ständig als Blödelkaiser der Nation behandelt zu werden und endlich richtig tiefsinnig schauspielern zu können, ließ er seinen Agenten nach seriösen Parts Ausschau halten. Und — „Der Club der toten Dichter“ gelang gleich zum Husarenstreich. Danach gab’s ein kleines Formtief mit allzu harmlos angelegten Nettigkeiten („Cadillac Man“, „Zeit des Erwachens“), doch mit der bewegend schizophrenen Rolle in „König der Fischer“ hat er sich rehabilitiert. Die Zeiten ändern sich für Robin Williams, und spätestens wenn er nächstes Jahr in Steven Spielbergs neuem Super-Coup „Hook“ an der Seite von Dustin Hoffman, Julia Roberts, Bob Hoskins und Glenn Close als Peter Pan durch die Lüfte segeln darf (ganze 20 Pfund mußte er dazu übrigens abspecken), dürfte er endlich dort landen, wo er rechtmäßig schon lange hingehört: in die Königsklasse der Schauspieler. Dann fehlt uns nur noch eins: Wann spielt Robin Williams endlich mal einen widerlich, verlogenen, hundsgemeinen Dreckskerl? Sonst wird aus dem Quatschkopf der Nation schließlich noch Mamas Liebling. Und auf der nächsten Party will man womöglich keine Witze, sondern haufenweise geraspeltes Süßholz von ihm hören. Und das wäre doch wirklich erbärmlich, oder?