Rauschgift-Rock


The Flaming Lips

The Terror

Coop/Universal

Fuck off, Psychorock on: Wayne Coyne und die Flaming Lips veranstalten auch auf ihrem 13. Album in bald drei Jahrzehnten ein bewusstseinserweiterndes Rodeo.

Eine Erregungs-Requisite wie eine Doppelhals-Gitarre braucht kein Mensch. Was Wayne Coyne, Sänger und Spiritus Rector der Flaming Lips, natürlich nicht davon abhält, sich mitunter bei Konzerten ein solches Instrument umzuschnallen und hernach keinen einzigen Ton darauf zu spielen.

Vordergründig vorbildlich wirre Ideen, die sie mit klugen Hintergedanken kombinieren, haben die Flaming Lips in den fast drei Jahrzehnten ihrer Bandgeschichte schon immer gehabt, und auf ihrem neuen, dem 13. Album ihrer Historie, setzen sie dieses Prozedere konsequent fort. Galoppierender Wahnsinn ist bei der Band aus Oklahoma zum x-ten Mal die Gangart der Wahl, und Wayne Coyne ist auch im Alter von 52 Jahren noch ein meisterlicher Reiter in dieser Disziplin. Der Sound der Flaming Lips sorgt selbst bei belastbaren und experimentierfreudigen Musikhörern zuverlässig für Begleiterscheinungen wie Herzrasen, Augenliderflattern, Gesichtsmuskelzuckungen und Gehörgangjuckreiz, und mit dem neuen Album hieven die Musiker ihr Gesamtkonzept zweifellos auf eine neue Stressteststufe.

Der Grad der Verstörung, der THE TERROR hervorruft, ist auf jeden Fall nicht limitiert, und für die Art und Weise, in der auf dem Tonträger die Songs ausfransen, wahlweise ins emotionale Nirwana wabern oder mit dem eigenen Bewusstsein Rodeo spielen, gilt nur eine Maxime: Fuck off, Psychorock on.

Vor ein paar Jahren haben die Flaming Lips zusammen mit Henry Rollins und Peaches THE DARK SiDE OF THE MOON neu interpretiert, und wenn man den Titel des Meisterwerks von Pink Floyd als Referenz heranzieht, so gilt für THE TERROR: Welcome to the darkest side of the moon. Auf dem Klangradar der Flaming Lips tummeln sich hemmungsloser Rauschgift-Rock, sachte ausufernde psychedelische Momente, und, im Bodennebel der Befindlichkeiten, Schmerz, Liebe und Zärtlichkeit. Und natürlich die begründete Hoffnung, dass man mit Songs wie „Try To Explain“ immer wieder die eigene Seele renovieren kann. Im Klangwald der psychogenen Pilze- dafür steht zum Beispiel der schön-spukige Song „Look … The Sun Is Rising“ – sind Wayne Coyne und die Seinen ehrenamtliche Oberförster. Euphorisch schöne Popsongs wie „Race For The Prize“ vom Husarenstück THE SOFT BULLETIN aus dem Jahr 1999, die die Band ja auch ohne Weiteres draufhat, sind auf dem neuen Album allerdings nicht vorrätig; seit ein paar Platten schon fräst sie ihre Songs viel lieber aus dem Melancholie-Schnittbogen heraus. Die Flaming Lips in der Version des Jahres 2013: Was für eine anstrengende Freude.

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ME-Gespräch S. 50