Red Hot Chili Peppers – London, Mean Fiddler


In Los Angeles lebt ein Mann, der einst im schwarzen Ghetto des Stadtteiles Watts einen Turm baute. Die Beschaffung des Baumaterials wurde für ihn zur Lebensaufgabe, denn für diesen Turm trug er den schrillsten, skurilsten und wundervollsten Müll zusammen, den er in die Finger bekommen konnte. Das Ergebnis ist faszinierend: ein aberwitziges Meisterwerk, bei dessen Betrachtung man sich ständig fragt, wann es wohl krachend in sich zusammenfällt. Ähnliche Reaktionen rufen die Red

Hot Chili Peppers hervor. Auch sie sind eine unmögliche Mischung aus allem Möglichen, das Los Angeles an Extremen zu bieten hat. Ihre Musik hat etwas vom kalifornischen Thrash-Metal, eine Menge L.A.-Punk, etwas L.A.-Reggae, Rock. Rap und Psychedelia, außerdem: heiße Strand- und noch heißere Striplokal-Atmosphäre. Und das alles, gleich den Müll-Skurilitäten des Watts-Turms, eingebettet in ein Zementfundament aus stabilem weißen Funk.

In dieser verregneten Nacht kommt ein Stück Kalifornien in den kleinen Club eines Londoner Vorortes, dessen Bühne an einen Schuhkarton erinnert – mit einer Tanzfläche für die Hardcore-Punks und einer Galerie für die Leute mit den Notizblöcken. Die Atmosphäre paßt eigentlich besser nach L.A., wo auch jeder weiß, was ihn bei den Peppers erwartet. Hier aber wirkt die Hälfte des britischen Publikums eher verwirrt, da sich die Band total verarscht, gleichzeitig aber auch ernstgenommen werden will. Wie der Watts-Turm: Der sähe vermutlich auch ziemlich deplaciert aus, wenn man ihn in die britische Kunstakademie stellen würde.

Die Chili Peppers spielen verständlicherweise überwiegend Material ihres neuen Albums THE UPLIFT MOFO PARTY PLAN. Ihr Spiel ist satt und saftig, der Beat hypnotisch und ansteckend, ein weißer Funk-Groove, der sich wie ein Nagel ins Gehirn hämmert, Rap, der die Beastie Bovs als wattierte kleine Jüngelchen entlarvt. Jedenfalls haben die Red Hot Chili Peppers immer noch die größten Schwänze! (So behaupten sie, wollen’s uns aber diesmal nicht so recht zeigen und begnügen sich mit einer entschärften Version ihres Strips.) Dem halbherzigen Strip zum Trotz war die Musik Grund genug, ausgelassen das Tanzbein zu schwingen. Und die Texte, wenn sie mal nicht in Fußballstadikon-Manier gegröhlt werden, regen durchaus die grauen Zellen an. Die Punks tanzen also Pogo, die Journalisten machen Notizen, doch die Band wirkt verärgert. Worüber sie sich ärgern, ob über uns, die Räumlichkeiten oder das Wetter, weiß ich nicht. Zur Halbzeit jedenfalls verläßt Gitarrist Hillel Slovak die Bühne. Anthony Kiedis, Flea und Jack Irons spielen ohne ihn weiter – und das gar nicht mal schlecht: Drums und Baß klingen sogar kompakter als zuvor.

Ein merkwürdiger und meistenteils wunderbarer Auftritt – auch wenn ich sie vor heimischem Publikum besser erlebt habe.