Der Trend zum Retro-Soul setzt sich fort. Eine prima Sache, wenn altmodische Einflüsse so großartig als zeitloses Poperlebnis zelebriert werden wie hier.

Etwas kümmerlich und ausgemergelt sitzt sie da. Attraktiv zwar, aber auch ein bisschen wie bestellt und nicht abgeholt. Von diesem Eindruck sollte man sich nicht täuschen lassen. Amy Winehouse hat die Kraft der zwei Herzen. Oder sollte man besser sagen: Seelen ? Sie geht da hin, wo es weh tut. Ihre Texte hören sich an wie Einträge aus dem Tagebuch einer gescheiterten Beziehung. Die Musik klingt so, als sollen die heutigen R’n’B-Retortenbabys damit in die Tonne getreten werden. Die junge Dame macht da weiter, wo Christina Aguilera, Nicole Willis und Lily Allen zuletzt aufgehört haben. Auch sie geht den Wurzeln der Soulmusik auf den Grund. Das ist durchaus eine Entwicklung, denn bekannt wurde Amy Winehouse mit spartanisch arrangierten Songs, die vor allem von ihrer exzellenten jazzgeschulten Stimme lebten. Jetzt haben ihr die Produzenten Mark Ronson und Salaam Remi für back to Black eine schwungvollere Musik verpasst. DerMotown-Sound spielt eine große Rolle, auch Reggae alter Schule und bluesige Momente. Alles klingt lebhafter, tanzbodengerechter, abwechslungsreicher und popkompatibler als auf ihrem letzten Album frank. Gleich zu Anfang spürt man einen Vibe. der an die klassischen Girlgroups zu Zeiten der Shangri-La’s angelehnt ist.

„They tried to make rne go to rehab, I said no no no“, singt Winehouse dazu. Ihre freche Schnauze hätte man sich früher wohl nicht leisten können. Die Engländerin aber mag kleine Ferkeleien und fragt schon einmal:,, What kind of fuckery is this?“ So erhält ein Album, das oft genug altmodisches Flair verkörpert,einen aufregend modernen Anstrich. 8esser hätte es kaum kommen können. Dennoch hat die in Deutschland zuständige Plattenfirma mit der „offiziellen“ Veröffentlichung gezögert. Nur: Ist derartiges Taktieren nicht überflüssig, seitdem es das Internet gibt? Und: Kann es für ein Kunstwerk wie dieses überhaupt einen falschen Zeitpunkt geben?