Bill Frisell – Gone, Just Like Train

Mit seiner enormen Alben-Frequenz dürfte Bill Frisell mittlerweile als fleißigster Jazz-Gitarrist im Guinness Buch der Rekorde stehen. Wobei man ihm mit Jazz“ nicht gerecht wird, denn seit geraumer Zeit nähert sich Bill Frisell immer unverblümter Country und Rhythm ’n‘ Blues – eben den musikalischen Roots seiner Heimat Colorado. Doch trotz aller schmeichelnden Melodien musiziert Frisell Anno 1998 weiter entfernt vom Easy-Listening-Schema denn je. Sein charakteristisch singender Sound, an dem man ihn schon nach dem ersten Ton eindeutig indentifiziert, reißt immer wieder seine lächelnde Maske vom Gesicht und offenbart dahinter eine harsch verzerrte Fratze. Dann zersägt der Wahl-New-Yorker genüßlich jegliche Romantik und reitet die Rhythmen, als ob sein Pferd lahmen würde. Erstaunlich: Diesmal standen ihm nicht seine bewährten Begleiter Joey Baron und Kermit Driscoll zur Seite. Mit Lyle Lovetts Bassisten Viktor Krauss, den er bei seiner NASHVILLE-Session kennengelernt hatte, und Drummer Jim Keltner hat er aber nahezu gleichwertigen Ersatz gefunden. Allein schon die verschmitzte Art, wie sich die drei Gesellen in „Egg Radio“ gegenseitig die Bälle zuwerfen und ins ausgelassene Tänzeln geraten, macht dem zurückhaltenden Gitarristen so schnell niemand nach. „Ballroom“ schwelgt in liebenswerter Nostalgie, während „Girl Asks Boy, Part 2“ als knuffiger Ragtime daherstolpert. Der Titeltrack mutiert gar vom melancholischen Geplänkel zum unverblümten Krach-Rock. Woher nimmt dieser Kerl nur seine außerordentliche Brillanz?