Blur :: Modern Life Is Rubbish

Blurs Zweitwerk – weitläufig als das erste so genannte Britpop-Album überhaupt erachtet – hätte ursprünglich ein ganz ein anderes werden sollen: Frustriert von einer US-Tournee zur Bewerbung ihrer Debütplatte LEISURE wollte die Band 1993 ein hasserfülltes Konzeptalbum auf den amerikanischen Way Of Life loslassen; Arbeitstitel: BLUR VS. AMERICA. Die Welt verdankt es der Überredungskunst von Blurs Haus-und-Hof-Produzenten Stephen Street, dass diesen (angesichts der späteren Anbiederung an den US-Markt mit der Nirvana-esquen Struktur ihres Gröhlers „Song 2“ ohnehin albernen) Plänen zugunsten eines Meisterwerks in feinster feingeistiger Tradition von The Kinks, XTC und Madness kurzerhand der Garaus gemacht wurde. „Das moderne Leben ist der Müll der Vergangenheit. Wir alle leben auf diesem Müll, er diktiert unsere Gedanken“, erklärt Sänger und Songschreiber Damon Albarn den provokativen Titel der Platte. „Dieser Slogan ist der bedeutendste Kommentar zur Popkultur seit ‚Anarchy In The UK‘. Ich würde ihn am liebsten auf alle Häuserwände schmieren.“ Bigmouth strikes again. Warum ging eigentlich nochmal Liam Gallagher und nicht Herr Albarn als größter Aufdiekackehauer der Neunziger in die Geschichte ein? Vielleicht weil bei letzterem doch die großen Songs die großen Sprüche ausstachen? Vielleicht weil er auf

MODERN LIFE IS RUBBISH

mit dem hymnischen Opener „For Tomorrow“ das Phänomen Britpop lancierte und zugleich auf die Spitze seiner Existenz führte? „Jeder Mensch auf der Welt weiß, was La la la bedeutet“, rechtfertigt Albarn die entwaffnende Simplizität des Singalong-Refrains dieses Abgesangs auf den Zweckoptimismus. Das folgende „Advert“ schlägt mit seiner konzentrierten Konsumkritik in die gleiche anti-turbokapitalistische Kerbe, das bittersüße „Chemical World“ ist Ray-Davis’scher Sozialzynismus par excellence und das narrische „Sunday Sunday“ beißt dem gesättigten Tory-England kräftig in den Arsch. Im programmatischen, weil „Resigend“ genannten Finale taucht übrigens zum ersten Mal in Albarns Œuvre die Melodika auf. Sie sollte später zum Markenzeichen seiner millionenschweren Cartoonzombies Gorillaz werden. Die Welteroberung stand damals zwar noch bevor, aber bereits unverrückbar fest.