Brian Wilson :: Hamburg, CCH

Standing Ovations waren Brian Wilson seit Monaten gewiss. Dass er überhaupt wieder da ist, der Genius der Popmusik und ehemalige Beach-Boys-Kopf, zum ersten Mal mit einem Solo-Programm live auf einer deutschen Bühne noch dazu. Dabei hatte das Leben des Brian lange wie ein tragischer Mix aus allen nur erdenklichen Rock’n’Roll-Desastern ausgesehen: Drogen, Depressionen, Paranoia, Übergewicht und Tantiemenstreitigkeiten. Nun, er war da, und er war sehr gut. Die Wondermints, Wilsons zehnköpfige Band, die den bald 60-Jährigen begleitete, spielten dabei eine zentrale Rolle. An den Flanken gehalten von Gitarrist Jeffrey Foskett und Keyboarder Darian Sahanaja, inszenierten sie die komplexen Pop-Sinfonien und Surf-Hits mit einer Leichtigkeit, die man so nicht erwartet hätte. Etwas oberhalb dieser Sound-Wirbelwinde war Wilsons Stimme angesiedelt, die wenig Patina in all den Jahren angesetzt hat. Selbst die mehrschichtigen Harmoniesätze bewältigte das Veteranen-Ensemble präzise. Die 40 Songs des Sets, großenteils Wilson-Geniestreiche aus den Sixties, wirkten nie wie eine Oldie-Show. Vielleicht lag das auch am Hauptdarsteller selber: Brian Wilson saß in seiner blauen Windjacke vor dem Teleprompter, unwirklich weiß im Gesicht, sang, bedankte sich und sang wieder. Er tat das seltsam fremd. Ein Rest Tragik mag da heraushören, wer möchte. Gut geschmierte Revival-Profis klingen jedenfalls anders. Die zweite Hälfte des zweistündigen Konzerts bestritten Wilson und die Wondermints mit einer Live-Version des Jahrhundert-Albums „Pet Sounds“, Song für Song, alles schön der Reihe nach und dann noch „Good Vibrations“ oben drauf. Es gibt kaum etwas, das die Zeit seit den Sechzigern so gut überstanden hat wie diese 13 Songs. Gerade die Instrumentals „Let’s Go Away For Awhile“ und „Pet Sounds“, live immer zwischen futuristischem Swing und orchestralem Schönklang oszillierend, verwiesen auf eine der größten Entdeckungen, die der große Wilson für die Popmusikgemacht hat-die Möglich-‚ keiten des Aufnahmestudios. Was Bands wie die High Llamas und Stereolab heute am Wilson-Sound so fasziniert, war hier greifbar nahe. Der Künstler an und für sich weniger. Brian Wilson lebt wahrscheinlich immer noch nicht auf dieser Welt, sondern irgendwo in den Tiefen seiner kunstvoll geschichteten Songs. Er mag im Geiste eine Hundertschaft Streicher dirigieren, wo Flöte und Saxophon erklingen. Als man ihm für „Barbara Ann“ die Gitarre umhängt, muss er seine Luftblase verlassen. Und steht prompt da wie im falschen Film. Zum Abschied: „Love & Mercy“. Dann hebt der alte Mann mit dem weißen Gesicht kurz die Hand und trottet einfach so von der Bühne. Ob er jemals wiederkommt?

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