Cher – 3614 Jackson Highway

1969 stand es wirtschaftlich ziemlich schlecht um das wenige Jahre zuvor noch megaerfolgreiche Duo Sonny&Cher. Die Leute wollten Progressive Rock hören statt archaischen Beat und versponnene Psychedelik. Für das exzentrische Hippiepärchen mit ihren eigenwilligen Folk-Pop-Protest-Hymnen, das in einer dicken Villa in Bei Air residierte, schien die Zeit abgelaufen, zu sein. Weil er immense Schulden abzubezahlen hatte, trieb Sonny die in jener Zeit im Indianer-Look sich präsentierende Cher unbeirrbar an. Von Anbeginn auch als Solointerpretin wie als Filmschauspielerin in den vom umtriebigen Ehemann produzierten Streifen „Good Times“ und „Chastity“ tätig, spielte das spätere Wunder der plastischen Chirurgie mit dem schlicht nach der Studio-Adresse benannten 3614 jackson highway das mit Abstand beste Album ihrer gesamten Karriere in den legendären Muscle Shoals Studios ein. Tatsächlich war Cher die allererste Interpretin im neu eröffneten Aufnahmestudio in Sheffield, Alabama. In satten Brass-Arrangements im Southern-Rock-Stil gratwandert Cher auf ihrem sechsten Longplayer geschmackvoll zwischen Soul, Blues, Gospel und erklimmt mit tiefer Stimme ungeahnte künstlerische Höhen. Wohlweislich verzichtete die Atlantic-Produzentenriege Jerry Wexler, Tom Dowd und Arif Mardin sowohl auf Sonnys Einsatz als Produzent als auch auf sein Hit-Händchen. Stattdessen setzten sie auf Kompositionen der damaligen Rock- und Soul-Elite. Schlicht grandios geraten ist Chers Version von Dr. Johns „I Walk On Guilded Splinters“. Ein echtes Anliegen war Stephen Stills'“For What It’s Worth“, das die brutal von der Polizei niedergeschlagenen Sunset Riots vom Herbst 1966 thematisierte, wo auch Sonny & Chertageflang als Protestierende gegen die Schließung eines Hippie-Clubs gekämpft hatten. Ebenfalls im Original-Tracklisting zu finden: The Box Tops'“Cry Like A Baby“. Aretha Franklins „Do Right Woman. Do Right Man“ und Otis Reddings „(Sittin’On) The Dock Of The Bay“. Gleich drei Songs wählten Wexler, Dowd und Mardin aus Bob Dylans damals aktueller Country-Hommage NASHViLLE Skyline aus: „Tonight I’ll Be Staying Here With You“, „I Threw It All Away“ und das im Titel leicht modifizierte „Lay Baby Lay“. Zwölf Bonus-Cuts, die ursprünglich für ein zweites Album geplant waren, aber dann für Jahrzehnte im Atlantic/Atco-Archiv verschwanden, ergänzen die Retrospektive, darunter das aus dem Musical „Hair“ stammende „Easy To Be Hard“, Blood,Sweat&Tears‘ „You’ve Made Me So Very Happy“, das irische Traditional „Danny Boy“ und Delaney, Bonnie &Friends‘ „Superstar“.

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