Coals

Tamagotchi

AdP/Alive (VÖ: 13.10.)

Das Duo aus Polen schwelgt auf seinem Elektro-Post-Punk-Debüt in post-sowjetischer Partymelancholie.

Polen ist unterschätztes Pop-Terrain. Dabei ist die Atmosphäre zwischen der morbiden Ostblock-Romantik und dem postmodernen Aufbruchswillen der Jugend in einer verkrusteten Gesellschaft eigentlich die perfekte Grundlage für gute Musik zur Zeit. Ein Blick lohnt sich deshalb nach Oberschlesien: Katarzyna Kowalczyk und Łukasz Rozmysłowski machen dort betörend trockenen, verwaschenen Elektro-/Dream-Pop, der sich vom zeitgenössischen HipHop die Hustensaft-betäubte Gelassenheit borgt und von Acts wie The xx die Post-Punk-Stimmungen. Die Titel der verhangenen Nebel-Songs skizzieren ein irgendwo zwischen Langeweile und schmutzigen Clubs feststeckendes, post-sowjetisches Party­leben: „Going To A Rave Alone“, „VHS Nightmare”, „90’s Babies“, „East Streets“.

„Take me to the place where techno resonates“, singt Katarzyna in „Rave03“ mit ihrer wunderbar matten Traumwandlerstimme, die Łukasz mit dicken Hallschichten aus trägen Synthesizern, Industrial-Hämmern und entfernten Gitarren-Schlieren einwickelt. „S.I.T.C“ beginnt mit einem nüchternen Bassakkord, der direkt aus den Prä-Mauerfall-80ern herüberzuwehen scheint. Das letzte Stück haben sie den Großeltern gewidmet: „Lato2002” ist auf Polnisch gesungen und zählt Insignien eines noch gar nicht so lange vergangenen Sommers auf. Auch die Gitarren deuten hier mit ihrer folkloristischen Melodie in die Vergangenheit. Coals tun gar nicht erst so, als ob man in einer alten Steinkohlegegend ohne den Blick zurück über die Gegenwart singen könnte.

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