COUNTRY

Mit über 14 Millionen verkaufter Schallplatten und jeder Menge Platin stehen die Mannen von Alabama an einsamer Spitze in Nashville. Das ließ einen Produzenten wie Tim DuBois nicht ruhen. Nach einem ausgiebigen Streifzug durch die Country-Studios von Nashville stellte er eine Konkurrenztruppe zusammen. Restless Heart nannte er sie. Er selbst blieb ihm Hintergrund und sponn die Fäden bei der ersten, sehr erfolgreichen LP, und beim zweiten Album WHEELS, das sogar auch in den deutschen Plattenläden zu bekommen war (RCA 85648).

Restless Heart ist ein Gruppe aus der Retorte, wie ein Waschmittel oder Kaugummi auf den amerikanischen Geschmack zugeschnitten, aber spielen können sie, die Jungs, auch wenn Tim DuBois im Hintergrund die Regie führt. Die beiden Single-Hits „That Rock Won’t Roll“ und ,.111 Still Be Loving You“ sind einfühlsame Balladen, sehr melodisch, sehr amerikanisch, und profitieren vor allem vom harmonischen Satzgesang der Gruppe. Die Texte sind so nichtssagend wie die der anderen Songs auch, bedeutungsloses Liebesgeflüster, das man schon tausendmal gehört hat. Für deutsche Ohren war das nichts, das plätscherte an einem vorbei.

Da lobe ich mir die härteren Songs. „The Boy’s On A Roll“ zum Beispiel, oder ,.We Owned This Town“. Das ist Country-Rock bester Machart, das läßt so manche Rockgruppe erblassen. So ’ne Single hätte auch bei uns Chancen. Da hört man noch’ne Melodie raus, da stimmen die Harmonien, das geht ins Ohr. (4) Mit HANK LIVE (WEA 25538-1) gibt’s endlich mal wieder eine Live-Platte, auf der man sich nicht krampfhaft bemüht, Hits so originalgetreu wie möglich nachzuspielen. Bei Hank Williams Jr., dem Sohn des legendären und versoffenen Hank Williams, erkennt man dessen eigene Hits nicht wieder. Und das ist gut so. Hank ist musikalisch, er spielt mit seinen Songs, variiert sie wie ein erfahrener Jazz-Recke.

Und Hank hat den Blues. Wenn er bekannte Hits wie ,.1’m For Love“ oder „All My Rowdy Friends“ nur auf der Gitarre begleitet, dann ist es mucksmäuschenstill im Saal, dann hören auch die besoffenen Rednecks ergriffen zu. Weil sie im nächsten Augenblick wieder auf die Stühle springen dürfen. Denn in Hanks Konzerten ist alles angesagt, was er im Studio aus kommerziellen Gründen nicht darf. Auch Hard Rock. Sein „Sweet Home Alabama“ hätten Lynyrd Skynyrd nicht besser gebracht, und auch bei „La Grange“ geht mächtig die Post ab. Auch ein Verdienst der Bama Band, einer Südstaaten-Country-Band, die optisch an Slade und musikalisch an alles erinnert, was im amerikanischen Süden laut und heavy ist.

HANK LIVE ist eine runde Sache.

Ein ganzes Konzert auf zwei Plattenseiten, ohne daß man was vermißt, und ich habe den Hank mehrmals live gesehen. Was für Hank-Junior-Fans, vor allem aber was für Rock- und Blues-Freunde, die immer noch glauben, in einem Country-Konzert wird nur Johnny Cash und „Country Roads“ gesungen. Oh Mann, dann hört mal bei Hank rein. (6) Aus den einstigen Outlaws Johnny Cash, Willic Nelson, Waylon Jennings und Kris Kristofferson sind ruhige Fünfziger geworden, aber ihr Lehensstil ist fetziger als der vieler Möchtegern-Rocker mit aufgeschlitzten Jeans. Waylon ist gerade von Coke runter (dem linderen Coke), Johnny soll immer noch schnupfen, Kris greift gern zur Flasche, und Willie schert sich einen Schmutz um das, was die Leute sagen. Alle vier sind noch sehr aktiv, und weil sie alte Freunde sind und früher so manche Tür in Nashville eingetreten haben, nahmen sie vor zwei Jahren die berühmte HIGHWAYMEN-LP auf. die sich mehrere Wochen lang auf dem ersten Platz der Country-Charts sonnte.

Jetzt reiten die Highwaymen wieder, auf THE HIGHWAYMEN R1DE AGAIN (CBS 450431-1) aus der Serie I LOVE COUNTRY. die das Beste vereinigt, was auf diesem Label in Sachen Country erschienen ist. Und das ist eine ganze Menge. Johnny Cash. Marty Robbins, Tammy Wynette, David Allan Coe. Janie Fricke. Bobby Bari, Merle Haggard — ein „Who Is Who“ der Country-Szene wurde da auf liebevoll zusammengestellten Samplern unter dem Motto 1 LOVE COUNTRY vereinigt, nicht nur mit den großen Hits, auch mit weniger bekannten Songs, ein unbedingtes Muß für Fans, die jetzt mit dem Sammeln von Country-Scheiben anfangen und sich einen Grundstock zulegen wollen.

THE H1GHWAYMEN RIDE AGAIN ist sicher eines der besten Alben dieser Serie. Die Songs stammen von zahlreichen Solo- und Gemeinschaftsalben und zeigen die vier Outlaws in Hochform. Sogar ein Klassiker wie „A Whiter Shade of Pale“ klingt da in der Version von Willie Nelson wieder frisch, und „Heroes“. der Titelsong der gleichnamigen LP mit Waylon und Johnny, sagt klipp und klar, um was es auf diesem Album geht, um Heldenverehrung nämlich. Helden sind sie allemal, der Willie, der Waylon, der Johnny und der Kris. und wenn sie auch manchmal ein bißchen unbequem waren, so haben sie doch mehr für die Country-Szene getan als alle Bluegrass-Fiddler zusammen. Auf dieser LP kann man’s hören und staunen. (5) Kommerzieller geht’s nicht mehr. Die Bellamy Brothers David und Howard kennen den Stoff, aus dem Hits gemacht sind, und sie wissen mit ihm umzugehen. Nicht erst seit „Let Your Love Flow“. Eingängige Melodien, originelle Texte, interessante Arrangements und ein Harmoniegesang, der runtergeht wie Butter — das sind schon seit vielen Jahren die Pluspunkte jeder Bellamys-Scheibe. Bei COUNTRY RAP (MCA Curb 5721) ist das nicht anders. Nicht umsonst schössen die Single-Auskoppelungen in Windeseile auf Platz 1 der Country-Charts. „Too Much 1s Not Enough“

(zusammen mit den Forester Sisters) erinnert an beste Motown-Zeiten, „Kids of the Baby Boom“ ist die Fortsetzung von „Old Hippie“ und kritisiert die satte Behäbigkeit der ehemaligen Rebellen aus den 60er Jahren. Ebenfalls single-verdächtig: „Sweet Nostalgia“, zuckersüß, aber nicht kitschig; „One Too Many Times“, fetzig und mit viel Drive: und „Our Family“ so richtig schön country. Auch bei „Go Ahead — Fall In Love“ läuft’s mir angenehm warm den Rücken runter. Das ist Schmuse-Country allerfeinster Machart.

Bliebe noch zu erwähnen, daß alle Songs — bis auf eine Ausnahme — aus der Feder von David und Howard stammen, und lediglich der Titelsong ein bißchen enttäuscht. So ein Rapauf Country mag zwar witzig sein, reißt mich aber nicht unbedingt vom Hokker. Ansonsten aber Country-Pop bester Machart. Schlager im besten Sinne, weit entfernt vom deutschen Schmalz ä la Modern Talking und eine glatte: (6) Seit der gute Rodnev Crowell mit Rosanne Cash verheiratet ist, kommt einfach nichts mehr rüber. Ist er vielleicht müde geworden? Beim Abhören seiner neuen LP STREET LANGUA-GE (Columbia 40116) kommt es einem fast so vor. Da rackert er nun jahrelang an diesem neuen Werk, und dann kommt nur Durchschnittsware heraus. Nun ja, vielleicht hatte man einfach zuviel erwartet. Rodney ist schließlich nicht irgendwer. Er spielte in der legendären Hot Band von Emmylou Harris und schrieb einen Superhit nach dem anderen, im ersten Ehejahr verhalf er auch seiner Frau zu einer Nummer I. Dann kam ein Baby, und man ruhte sich wohl auf seinem Hit-Polster aus.

Anscheinend weiß er nicht mehr, was er will, der einstige Rebell. Wenn man die Songs seiner neuen Scheibe anhört, kommt es einem zumindest so vor In einem Song wie „When l’m Free Again“ trauert er als satter Ehemann der verlorenen Freiheit nach, in „Past Like A Mask“ bejammert er eine verkorkste Beziehungskiste. Aber in „Looking For You“ schmachtet er ein Mädchen an, und in „Stay“ fällt er fast vor ihr auf die Knie. Das ist zwar originell formuliert, aber nicht mehr der Rodney Crowell, wie wir ihn kennen. Schon gar nicht musikalisch. Flach, flacher, am flachsten, da ging es mächtig den Bach runter. O Rodney! Laß dich scheiden oder reiß dich zusammen, oder am besten beides. So geht’s nicht weiter! (2)