Derek Bailey – Ballads

Natürlich könnte er auch anders – das American Songbook so lange auseinanderdrücken, bis nicht nur der Rücken bricht. Aber das macht ja mittlerweile schon fast jeder Pseudo-Avantgardist. Das britische Urgestein des Improvisations-Jazz, Derek Bailey, hält es lieber wie sein Gitarren-Schüler und Fan Marc Ribot, der die Linernotes für BALLADS schreiben durfte: in der zersplitterten Reduktion des Altbekannten liegt die ungehörte Wahrheit. Und Baileys Form- und Deformierungsprozesse von Klassikern wie „Body And Soul“ und „Stella By Starlight“ sprechen da eine deutliche Sprache. Nur oberflächlich bleibt er an seiner akustischen Gitarre ganz ruhig; blättert mit nur wenigen Wendungen die ganze Melancholie-Herrlichkeit der Vorlagen aus. Aber Bailey ist nicht nur ein begeisterungsfähiger Dr. Jekyll der modernen Jazz-Gitarre, sondern auch ein Mr. Hyde. Einer, der den heiligen Standards an den Kragen geht; Victor Young & Co. in handfeste Traumwelten herüberführt und mit aggressiven Einzeltönen und unmöglichen Akkord-Spagaten über das ganze Griffbrett verteilt. Mit Respekt, aber eben auch mit integrer Revoluzzer-Haltung.

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