
Nein, man muss kein Kind sein oder Kinder haben, um HEY DOSTUM, CAK! zu hören. Das geht auch, klar, dann ist diese Sammlung von Neuinterpretationen türkischer Wiegen-und Kinderlieder, alter Pophits und noch älterer Folksongs sehr viel bessere Unterhaltung für den Nachwuchs als die übliche Bibi-&- Tina-Hölle. Aber die Auswahl, die Derya Yıldırım & Graham Mushnik, die sonst in der Grup Şimşek anatolische Folklore und Pop versöhnen, getroffen haben, erzählt auch ungemein viel über das deutschtürkische Verhältnis und die Migrationsgeschichte, die die Länder miteinander verbindet.
Wenn die in Hamburg geborene Yıldırım „Arkadaşım Eşek“ interpretiert, einen vom sehr deutschen Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ inspirierten Klassiker von Barış Manço, in dem der verstorbene Türk-Rockstar im Kontrast zur fröhlichen Melodie den Verlust von Heimat beklagt, dann dreht das interkulturelle Bezugs-Karussell zusätzliche Runden, bis ein paar Menschen mehr gelernt haben, dass Integration nicht notgedrungen Assimilation bedeuten muss. Aber wenn sie das Wiegenlied „Atem Tutem Men Seni“ als wundervoll melancholische Klage singt, dann schläft jedes Kind, egal welchen Pass es besitzt, friedlich ein.
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