Eagles :: Selected Works 1972-1999

Sie verwandelten den Staub der Landstraße in Platinplatten - ein Vier-CD-Boxset würdigt das Werk der kalifornischen Rocklegende.

Der Vater des einen schuftete am Fließband einer Automobilfabrik in Detroit, der des anderen besaß einen Laden in Texas, wo er Autoersatzteile feilbot. Glenn Frey und Don Henley hatten das Auto – und damit den amerikanischen Traum-gleichsam in den Genen. Logisch eigentlich und mehr als nur symbolische Fußnote, dass sie die wohl amerikanischste aller Bands auf die Beine stellten. Natürlich taten sie das in dem Land, wo Milch und Honig fließen: California, promised land, go west. Ende der 60er Jahre sammelte sich in Los Angeles eine Musikszene,die Beatles im Blut hatte, Pop verstand, fokussierter arbeitete als die Laissez-Faire-Hippies weiter nördlich in der Bay Area. Und die nach einer Formel suchte, den uramerikanischen, cowboygestiefelten Jesse James-Faktor in griffigen Rock zu integrieren. Über den nötigen Schuss Größenwahn, um dabei Nashville den Finger zu zeigen, verfügten dieselbstbewussten Sessioncracks aus dem Dunstkreis des Troubadour-Clubs allemal. Zwar war das, was man dann später Countryrock nennen sollte, von Leuten wie Gram Parsons‘ Flying Burritos sowie Buffalo Springfield mit Neil Young und Stephen Stills in den späten 6oern längst entwickelt worden, kommerziell saß der junge Stil jedoch zwischen allen Stühlen. Erst den Eagles gelang es. das Genre zu harmonisieren, es zu glätten, zu kommerzialisieren, zu perfektionieren. Selected Works 1972-1999 nun präsentiert auf vier CDs einen Extrakt aus dem Schaffen dieser Ausnahmeband. Und bleibt, sowohl in der Aufmachung wie auch in der Zusammenstellung, dem alten Dilemma der Adler treu: Das Ganze hat, trotz Leinenbox und Digipack-CDs, was Gelacktes-ein Image, das der Band immer schon anhing. Die heftigen Kontroversen um die Truppe, die nicht umsonst das amerikanische Wappentier im Banner führt, gipfelten schon damals im Vorwurf, ihre Outlaw-Attitüde, stilisiert vor allem durch das ambitionierte Konzeptalbum „Desperado“, sei nur Pose. Schlimmeres konnte man aufrechten Rockmusikern in jenen Tagen nicht nachsagen. Ob derlei Gefechten nun Pharisäertum zugrunde lag oder nicht, die Ambivalenz der Eagles ist deutlich – und auf Selected Works nachzuvollziehen: Als größte Band Amerikas in den 70ern galten sie beim hippen Publikum gleichzeitig als Inkarnation des Verrats. „Hotel California“, hier zu hören im behutsam restaurierten Original und in keimfreier Liveversion, brachte das auf den Punkt. Von der dunklen Seite des Paradieses sangen sie, verpackten die düsteren Lyrics jedoch in farbenprächtigsten Cinemascope-Rock. Hier Überdruss, Drogen, Paranoia, Trauma, dort FM-Format, Platin-Parties und verschnupfter Hollywood-Glamour. Als versierte Musiker polierten die Eagles ihren breitwandigen Classic Rock zu kühlem, gelegentlich sterilem Glanz. Songs wie „Hotel California“,“New Kid In Town“,“One Of These Nights“ und „The Long Run“-Klassiker, die ein ganzes Genre definierten – gehören so auch heute noch,20 Jahre nach dem kreativen Ende der Band, zur Basisdiskothek jedes AOR-Senders. Der Einfluss der Eagles auf den US-Mainstream-Rock der 80er Jahre (der sein Heil erst recht in der Pose suchte), ist deshalb kaum zu überschätzen; schließlich führt der direkte Weg von „Born To Be Wild“ zu Van Halens „Jump“ über „Hotel California“. Ein Hintergrund, vor dem Selected Works 1972-1999 enttäuscht. Zu vordergründig spekuliert die Box aufs Massenpublikum. Das Set bezieht künstlerisch kaum Stellung, genügt sich im mundgerechten oder besser: ohrgerechten Repetieren der Hittaste. Die vier CDs sind thematisch geordnet.“The Early Days“ bietet einen Querschnitt durch die Frühphase der Band, als durch die vergleichsweise naturalistischen Arrangements noch eine Prise Präriestaub wehte. Sattsam bekannte Klassiker wie „Takelt Easy“, „Dool in’Dalton“,oder“Tequila Sunrise“ klingen in den remasterten Versionen erstaunlich frisch, transparent, vital. Fehler wie das übersteuert aufgenommene Telecaster-Solo aus „Peaceful Easy Feeling“, die offenbar schon beim Aufnahmevorgang passierten, sind nach wie vor zu hören. Gut so. CD 2, „The Ballads“, bringt den Schmonzens, Großes so wie Klebriges. Das Pathos von „Wasted Time“, das dramatische „Desperado“, das sentimentale „The Best Of My Love“, das getragene „Take It To The Limit“-Eagles in Essenz, Festliches für gepflegte Rotwein-Romantik. CD 3,“The Fast Lane“ versammelt die gängigen FM-Hits seit 1975, neben „Hotel California“ auch „The Long Run“, „One Of These Nights“ sowie „Get Over It“ vom 94er Reunion-Album HELL FREEZES OVER. Aber auch Überflüssiges wird verabreicht, speziell vom wenig überzeugenden THE LONG RUN, erschienen kurz bevor sich die Band auflöste. Letztlich jedoch ist’s egal, nach welchen Kriterien das Material sortiert ist, der Kunde bekommt zunächst mal die Hits. Wirklich interessant indes wäre anderes, wären Outtakes, bislang Ungehörtes, Überraschungen, Querverweise gewesen. Leider jedoch gilt hier mit Ausnahme einiger läppischer Studioschnipsel und eines THE LONG RUN-Outtakes: Fehlanzeige. Statt neben dem obligaten Karriererückblick historisch interessante Songskizzen und verborgene Schätze zu heben, bringt CD 4 einen Mitschnitt des Millenniums-Konzerts von Sylvester’99 in Los Angeles. Und was hören wir? Die perfekte Eagles Show Band. Gesetzte Herren, die ihr Best Of-Programm mit atemberaubender Akkuratesse abspulen, zwischendurch noch – amerikanischer geht’s nimmer – einen Weihnachtsschlager einflechten und dabei Wunderbares wie „Peaceful Easy Feeling“ in dickbäuchiger Marktschreier-Manier in die Pfanne hauen: „Who still likes country rock – after 30years???“ Yep, du Arsch, halt’s Maul und spiel‘. Und vergiss nicht:“We are all prisoners here.“

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