Echo & The Bunnymen – Crystal Days
Der Titel dieses fetten Karriereüberblicks leitet sich von einem ganz besonderen Tag im Jahre 1984 ab: Am 12. Mai, einem lauschigen Frühlingstag, luden Echo & The Bunnymen in ihrer Heimatstadt Liverpool über 1500 Fans zu einem 23-Meilen-Fahrradrennen mit Unmengen Bananen als Marschverpflegung plus anschließendem Konzert in der King George Hall ein. Eine für Sänger Ian McCulloch, Gitarrist Will Sergeant, Bassist Les Pattinson und Schlagzeuger Pete de Freitas typische, weil Star-Distanz abbauende Geste. Aber auch ein Indiz dafür, warum sich die in England so gefeierte und verehrte Formation bis auf wenige Achtungserfolge im Ausland nie wirklich international durchzusetzen vermochte. Zu britisch, zu kauzig, zu obskur klingen die meisten Aufnahmen der mit insgesamt 72 Songtiteln (u.a. Outtakes, John-Peel-Sessions, rare B-Seiten, Livemitschnitte, Albentracks) bestückten Retrospektive. Bittersüße Gedankensprünge der individuellen Art und dunkel überfrachtete poetische Songebäude, vorgetragen mit der klagenden Stimme eines verhungernden Predigers, sind halt nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht die der von jeher auf traditionelle Rockwerte versessenen USA. Für McCulloch und Sergeant wurde Nordamerika zur fixen Idee, zum ständigen Reizthema. Schließlich hatten sich Rezensenten von der Ost- und Westküste – dank der gelungenen Coverversion von „People Are Strange“ – zum Vergleich der Bunnymen mit den Doors hinreißen lassen. Doch trotz diverser Anläufe gelang es der auf metaphysische Inhalte, sinnlich-vielschichtige Harmonien und faszinierende Tristesse abonnierten Band nicht,den US-Markt zu knacken. Von insgesamt sechs Studioalben der ersten Phase, in Großbritannien fast ohne Ausnahme auf vorderen Chartsrängen vertreten, schafften es nur zwei, OCEAN RAIN von 1984 sowie das ’87er ECHO & THE BUNNYMEN, in die Top 100 der Billboard-Bestenliste. Einer der Gründe, warum die Combo, die bei ihrer Gründung im Herbst 1978 mangels Schlagzeuger mit einer Rhythmusmaschine angetreten war, 1992 schließlich gänzlich auseinander brach. Schon 1988 war ihr ihr charismatischer Frontmann McCulloch mit Soloambitionen abhanden gekommen. 1989 starb Drummer Pete de Freitas nach einem Motorradunfall. Ein erneuter Schulterschluss der beiden Kontrahenten McCulloch/Sergeant erfolgte auf lockerer Basis unter dem Logo Electrafixion erst wieder 1994, die offizielle Reformation gar erst drei Jahre später. Selbst spätere Alben wie das in Großbritannien auf Anhieb erfolgreiche ’97er-Reunionwerk EVERGREEN verwoben-obwohl nun musikalisch wesentlich konservativer ausgerichtet-morbide Traumwelten, mystische Philosophien und imaginäre Kunstnebelschwaden. Anhängern von surrealistischem Pathos, klassizistischem Bombast, nekrophilern Gothic-Schick und Neo-Psychedelica dürfte das in Buchform gestaltete 4-CD-Box-Set Crystal Days (1979-1999) dennoch vorkommen, als würden sie das lang vermisste Gegenstück zur Bibel in den Händen halten.
www.bunnymen.com
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