Emerson, Lake & Palmer – Works II

Hat Handwerk goldenen Boden? Bei ELP offensichtlich. Denn alle drei sind nun mal unbestritten meisterhafte Handwerker ihres Fachs. Bloß: Wenn ein Schreiner ’ne Tür so einhängt, daß sie quietscht, dann ist das zwar unüberhörbar, aber noch geradezubiegen. So einfach jedoch geht es in der Musik mitnichten zu, und reparieren kann man da schon gar nicht.

„I wonder why“ – diesem Bekenntnis von Greg Lake (in „Tiger In A Spotlight“) schließe ich mich haareraufend an. Nämlich: Was an Rock und Pop und Jazz Millionen Fans fasziniert, das sind die (mehr oder weniger bewußten) Verschmelzungen verschiedenster Kulturen und zeitgenössischer Musiken. Diese Rezeptur verstehen ELP auf völlig falsche Weise. Sie mixen nämlich nicht Zeitgenössisches, sondern vergreifen sich vorzugsweise an mehreren Jahrhunderten gleichzeitig. Und das völlig konzeptionslos (im Gegegensatz etwa zu „Ougenweide“). Von künstlerischer Reibung zur Gegenwart keine Spur. Damit entschleiert sich die Musik von ELP zunehmend deutlicher als total verlogen. Weil die Musiker selber den musikalischen Boden unter sich wegziehen, ob nun vergoldet oder hölzern.

An der Klassik haben sie sich schon öfter vergangen (mit den berühmten „Pictures“ oder, siehe ME 7/77: „Works“ I). Hier sind’s zur Abwechslung mal Beispiele aus den Anfängen des Jazz. Der „Tiger In A Spotlight“ erinnert unwillkürlich an den „Dr. Jazz“ von Jelly Roll Morton, der für sich in Anspruch nahm, den Jazz erfunden zu haben. Nackter Ekklektizismus ist der „Barrelhouse Shake-Down“. Originale sind dafür der „Maple Leaf Rag“ von Scott Joplin und der „Honky Tonk Train Blues“ von Meade „Lux“ Lewis – beides Pianisten, die für den Pianisten Keith Emerson wohl eine Verlockung waren. Dabei klammern sich ELP unverhohlen formal an die Anfang des Jahrhunderts komponierten Töne. Wirksamer wäre hingegen gewesen, die in den Stücken enthaltenen Turbulenzen zu nutzen, sie individuell auszuarbeiten, originell zu interpretieren. Auf dem Gebiet hat Leonhard Bernstein schon einleuchtender arrangiert. ELP aber haben den Sinn dieser Stücke überhaupt nicht erfaßt. Daher schaffen sie’s doch tatsächlich, zusammen mit dem London Philharmonia Orchestra dem „Honky Tonk“ den ganzen Lebenssaft auszusaugen. Eine gefledderte Leiche bleibt auf der Strecke.